Konjunktur Ostschweiz Q2 2025
Zollstreit belastet Geschäftserwartungen
Ostschweizer Wirtschaft ist positiv ins neue Jahr gestartet, US-Zollpolitik sorgt für Unsicherheit und belastet den Ausblick.

15. Mai 2025
Die Ostschweizer Wirtschaft hat sich in den ersten Monaten des Jahres positiv entwickelt. Insbesondere aus der Exportindustrie waren leichte Anzeichen einer Erholung zu vernehmen. Die US-Zollpolitik sorgt jedoch für grosse Unsicherheit und belastet den Ausblick deutlich.
Die Geschäftslage in der Ostschweizer Wirtschaft hat sich seit Jahresbeginn leicht verbessert. Der Binnenmarkt entwickelte sich weiter robust und stützt die Gesamtwirtschaft. In der exportorientierten Industrie gab es erste Anzeichen einer leichten Erholung. Die handelspolitischen Turbulenzen schlagen sich erst allmählich auf den Geschäftsgang der Ostschweizer Unternehmen nieder. «Vor dem Inkrafttreten der neuen US-Zölle profitierten gewisse exportorientierte Unternehmen sogar von Vorzieheffekten, weil US-Unternehmen ihre Lager vor den drohenden Zöllen nochmals auffüllten», erklärt Céline Koster, Konjunkturexpertin bei der St.Galler Kantonalbank. Diese haben zu einem kurzfristigen Nachfrageschub geführt und erste negative konjunkturelle Auswirkungen der US-Zollpolitik überdeckt.
Leichter Aufschwung jäh gestoppt
Allgemein vermeldeten die Unternehmen zuletzt erste zarte Erholungssignale. Die Bestellungseingänge zogen wieder leicht an. Auch der Bestand an Auslandsaufträgen und die Auslastung der Produktionskapazitäten wurden von den befragten Unternehmen zuletzt leicht positiver eingeschätzt – wenn auch ausgehend von einem tiefen Niveau. Just in diese Phase einer ansatzweise anziehenden Industriekonjunktur fielen nun jedoch die handelspolitischen Turbulenzen, ausgelöst durch die US-Zollpolitik. Hinzu kommt die aus den globalen Unsicherheiten resultierende Aufwertung des Schweizer Frankens, insbesondere gegenüber dem US-Dollar. Gemäss Céline Koster wurde dadurch die Hoffnung auf eine nachhaltige Erholung abrupt gebremst. Im April sei die Zuversicht auf steigende Bestellungseingänge deutlich gesunken, und auch die Erwartungen zur Entwicklung der Geschäftslage in den kommenden Monaten hätten sich merklich eingetrübt.
Mehr Unsicherheit, weniger Investitionen
Die Exportwirtschaft in der Ostschweiz gerät durch die US-Zölle über verschiedene Kanäle zusätzlich unter Druck. Unmittelbar von den Zöllen betroffen sind Unternehmen, die Güter in die USA exportieren. Das erhöhte Zollniveau sowie der stärkere Schweizer Franken verteuern diese Exporte. Wie reagieren Exporteure aus der Ostschweiz auf diese neue Situation? IHK-Chefökonom Jan Riss verweist dazu auf die Ergebnisse einer kürzlich durchgeführten Sonderumfrage. Gemäss dieser warten viele Unternehmen erst einmal ab. Mehr als ein Drittel will aber auch mit Preiserhöhungen für US-Kunden und intensiveren Kundenkontakten auf die US-Zölle reagieren.
Die Auswirkungen der US-Zölle gehen aber über die direkten Exporte in die USA hinaus: Betroffen sind auch Zulieferer für Güter, die später zum Beispiel aus der Europäischen Union in die USA exportiert werden. Zudem erschwert die globale Unsicherheit Investitionsentscheide weltweit. Projekte und Investitionen, die nicht zwingend sofort umgesetzt werden müssen, werden aufgeschoben. Dies trifft besonders die in der Ostschweiz stark verankerte Investitionsgüterindustrie. Jan Riss folgert dazu: «Als kleine offene Volkswirtschaft mit einer Währung mit Save-Haven-Status ist die Schweiz überdurchschnittlich von der aktuellen Situation betroffen». Je länger die Phase der Unsicherheit fortdauere, desto weitreichender werden die Auswirkungen sein.
Binnenmarkt bleibt Stabilisator
Im Gegensatz zur Exportwirtschaft zeigt sich der binnenorientierte Teil der Ostschweizer Wirtschaft bisher stabil. Céline Koster erläutert: «Unternehmen aus dem Baugewerbe, dem Detailhandel und aus weiteren Dienstleistungsbranchen berichten von einer zufriedenstellenden bis positiven Geschäftslage.» Auch für die kommenden Monate gehen die meisten binnenorientierten Unternehmen von einer weiterhin stabilen bis positiven Entwicklung aus. «Damit bleibt der Binnenmarkt ein wichtiger konjunktureller Stützpfeiler», so Céline Koster. Auch der Arbeitsmarkt zeigt sich trotz der handelspolitischen Turbulenzen weiter robust. Die Arbeitslosenquote notiert im langjährigen Mittel. Bei Kurzarbeit ist bisher keine Zunahme aufgrund der US-Zölle zu beobachten.
Ausblick mit vielen Fragezeichen
Wie sich die Lage in den kommenden Monaten entwickelt, hängt stark vom weiteren Verlauf des internationalen Zollstreits ab. «Sowohl weitere Verhandlungserfolge als auch neue Zollankündigungen können die Situation rasch wieder verändern», so Jan Riss. «Entsprechend schwer fällt den Unternehmen die Einschätzung der zukünftigen Geschäftslage.» Zwei Drittel der Industrieunternehmen berichten von einer überdurchschnittlich grossen Unsicherheit.
«Vom kürzlich beschlossenen Fiskalpaket im wichtigen Absatzmarkt Deutschland sind kurz- und mittelfristig kaum zusätzliche Nachfrageimpulse für die Ostschweizer Industrie zu erwarten», ergänzt Jan Riss. Entsprechend überwiegen für die kommenden Monate die Abwärtsrisiken. Die Ostschweizer Industrie hat jedoch in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass sie mit anspruchsvollen Rahmenbedingungen umgehen kann – auch in herausfordernden Zeiten.
Geschäftslage leicht verbessert, Stimmung weiter eingetrübt
Die Geschäftslage in der Ostschweizer Wirtschaft hat sich zuletzt positiv entwickelt, verharrt aber auf tiefem Niveau. Der Stimmungsbarometer gab nach und notiert auf dem tiefsten Stand seit Ende 2023. Ausführungen zu Methodik und Interpretation am Ende des Dokuments.
Konjunkturboard Ostschweiz
Als Teil des Konjunkturboards Ostschweiz beurteilt die IHK quartalsweise die konjunkturelle Entwicklung der Ostschweizer Wirtschaft. Basis dafür bilden die regelmässigen Unternehmensumfragen in Zusammenarbeit mit der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich. Weitere Informationen und Analysen zu ausgewählten Branchen unter www.ihk.ch/konjunkturanalysen.