Energie

Klimaneutrale Harmonie auf dem Berg

Vom Tal zum Gipfel: Eine nachhaltige Reise durch die Ostschweiz – Teil 3 von 3

19. September 2023, Patrick Louis

Innovative Ansätze in der Industrie, Lebensmittelherstellung und im Tourismus zeigen, wie nachhaltige Geschäftsmodelle für die Zukunft gerüstet sind und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. In dieser Serie begeben wir uns auf eine Entdeckungsreise durch die Ostschweiz. Teil 3 führt uns in die Appenzeller Alpen zum Berggasthaus Staubern.

Auf dem Gipfel: Berggasthaus Staubern

Die Reise zum Höhepunkt beginnt am Bahnhof Altstätten, weiter geht es mit dem Bus über Sennwald bis zum malerischen Frümsen. Hier, im Tal, wirkt die futuristische Solarkonstruktion der Talstation fast deplatziert neben dem charmanten Nusshaus. Ein Produkt neuerer Zeit, mit Solarmodulen bestückt, dient sie als Startpunkt für eine spektakuläre Fahrt, die von 510 bis auf 1’748 Meter über Meer führt. Bis zu 72 Personen pro Stunde überwinden mit sieben Metern pro Sekunde die 1‘238 Meter Höhenunterschied. Der Anstieg ist beeindruckend, mit einer weitläufigen Aussicht nach Österreich, auf das Fürstentum Liechtenstein und in die Region Werdenberg.

Klimaneutraler Generator mit Frittieröl

Das Alleinstellungsmerkmal der Staubernbahn liegt jedoch nicht in der Aussicht, sondern in der Stromversorgung im Betrieb. Die Bahn läuft allein mit der Sonnenenergie von den Photovoltaikanlagen auf der Tal- und Bergstation. Auch an bewölkten Tagen produziert die Anlage Strom. An diesen Tagen sind auch weniger Besucher da, somit wird weniger Energie benötigt. Sollte das dennoch nicht ausreichen, springt der alte, umgebaute Generator ein, der nun statt mit Diesel mit altem Frittieröl vom Restaurantbetrieb auf dem Staubern klimaneutral läuft.

Behörden verzögern die Energiewende auf dem Berg

Trotz dieses Vorzeigeprojekts ruht Daniel Lüchinger, ein Unternehmer mit Familientradition, nicht auf seinen Lorbeeren. Es sind schon zusätzliche Photovoltaikmodule geplant, die den Spitzenbedarf weitgehend abdecken sollen. Doch während die neuen PV-Module bereits auf dem Berg bereitliegen, lässt die Bewilligung noch auf sich warten. Die Verzögerung seitens der Behörden ist für Lüchinger unverständlich: «Eigentlich sollten solche Projekte in einer von Strommangel und Energiewende gezeichneten Zeit schneller bewilligt werden».

Lüchinger und seine Familie haben mehrere Millionen Franken in die Solarbahn von Bartholet investiert, eine in Anbetracht der weltweiten Premiere mit Unsicherheit behaftete Investition. Aber es war ein logischer Schritt für sie: Die alte Bahn musste an neue Normen angepasst werden und der jährliche Dieselverbrauch von 15 Tonnen verursachte hohe Kosten. Es blieb eine riskante Entscheidung, doch eine, die Lüchinger aus voller Überzeugung traf – «manchmal muss man einfach machen».

Ressourcen sind – mit Ausnahme der frischen Luft – auf dem Berg Mangelware. Daher gehört es zur DNA der Lüchingers, auf ihren Energie- und Ressourcenverbrauch zu achten. Seit 29 Jahren kochen die Lüchingers induktiv, die Luft im Restaurant wird zur Wärmerückgewinnung bis zu fünf Mal in der Stunde zirkuliert, die Beleuchtung wird gerade auf LED umgestellt, und der Geschirrspüler läuft nur einmal am Tag für 45 Minuten, um Energie zu sparen. Den Stromverbrauch hat Daniel Lüchinger dabei jederzeit im Blick dank eines vernetzten Tools der Walliser Firma Studer. Auch mit dem Wasser muss haushälterisch umgegangen werden – nur 50 Kubikmeter werden pro Saison mit der Bahn hochtransportiert, entsprechend sorgsam gehen die Mitarbeitenden mit dem Wasserverbrauch um.

Eine Hitzewelle im Juli 2023 hat die Temperaturen im Tal auf über 30 Grad im Schatten klettern lassen. Doch hoch oben auf dem Berg herrscht ein angenehmes Klima. Nicht nur die Höhe, sondern auch die nachhaltigen Praktiken der Familie Lüchinger tragen dazu bei, dass diese Idylle trotz des Klimawandels erhalten bleibt. Obwohl das Bergleben seine Herausforderungen hat, so ist es doch eine Berufung. Daniel Lüchinger bringt es auf den Punkt: «Entweder bist du gerne hier oder du bist gar nicht hier. Hier oben herrscht eine Harmonie, und wir tragen dazu unseren Teil bei.»

Die solarbetriebene Seilbahn der Staubern ist also mehr als nur eine touristische Attraktion – sie ist ein Symbol für die Verbindung von Technologie und Nachhaltigkeit. Ein Besuch auf der Staubern ist ein landschaftliches Highlight, eine Fahrt in eine Zukunft, die Nachhaltigkeit und Innovation vereint. Wie es Bartholet Maschinenbau AG, die Berg-Käserei Gais AG und das Berggasthaus Staubern zeigen, ist die Energiewende nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance für Erfindungsgeist und zukunftsorientiertes Handeln. Es ist eine Chance, zu beweisen, dass die Ostschweiz den Takt für eine innovative, resiliente, und nachhaltige Wirtschaft angeben kann.

Serie «Vom Tal zum Gipfel: Eine nachhaltige Reise durch die Ostschweiz»

In dieser dreiteiligen Reportage werden in drei Stationen vom Tal zum Gipfel Unternehmen vorgestellt, welche Nachhaltigkeit in der Ostschweiz vorleben. Bartholet Maschinenbau AG, die Berg-Käserei Gais AG und das Berggasthaus Staubern zeigen, dass die Energiewende nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance für Erfindergeist und zukunftsorientiertes Handeln ist. Es ist eine Chance, zu beweisen, dass die Ostschweiz den Takt für eine innovative, resiliente, und nachhaltige Wirtschaft angeben kann.

Hinweis: Dieser Artikel ist in Kooperation mit economiesuisse und Sustainable Switzerland, der Nachhaltigkeitsinitiative der NZZ, entstanden. Die Reportage wurde in verkürzter Form in der NZZ Nr. 203, 244. Jg. sowie auf sustainableswitzerland.ch veröffentlicht.

Die anderen Teile der Reportage

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