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Innovationen und tiefere Kosten statt Bildungsbürokratie

Wie Häggenschwil von seiner privat geführten Oberstufenschule profitiert Innovationen und tiefere Kosten statt Bildungsbürokratie

Dr. Frank Bodmer, Leiter IHK-Research

Die SBW Secundaria Häggenschwil ist die erste privat geführte Oberstufenschule der Schweiz. Sie zeigt, welche positiven Effekte private Angebote im Bildungsbereich haben können. SBW arbeitet mit innovativen neuen Lernmethoden und betreibt die Schule zu vergleichsweise tiefen Kosten. Innovationen sind auch auf den anderen Bildungsstufen nötig. Die Mediamatikerlehre von SBW ist ein weiteres Beispiel für die positiven Impulse durch private Anbieter.

Aufgrund sinkender Schülerzahlen verlangte der Kanton von der Gemeinde Häggenschwil, die eigene Sekundarschule zu schliessen. Ab 2012 sollten die Häggenschwiler Schüler nach Waldkirch oder nach Wittenbach gehen. Die Gemeinde suchte nach Alternativen und fand sie in Form einer Kooperation mit dem privaten Bildungsanbieter «SBW Haus des Lernens».

Neue Lernkonzepte

«SBW Haus des Lernens» wurde 1980 vom Bildungsreformer Peter Fratton gegründet. Er ersetzte die traditionelle Rollenverteilung von Schüler und Lehrer mit einer neuen von Lern-partnern und Lernbegleitern, welche durch eine grössere Rolle der Kinder und beidseitiges Lernen charakterisiert ist. Ziel ist es, auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen einzugehen. Diese Konzepte bilden auch die Basis für den Unterricht in der Secundaria. Der Unterricht findet in altersdurchmischten Klassen auf Basis von Leistungsniveaus statt. Die Zeit, welche traditionellen Unterrichtsreformen gewidmet wird, ist reduziert. Die Lernpartner respektive Schüler eignen sich einen erheblichen Teil des Stoffs mit schulinternen Lernprogrammen autonom auf ihren Tablets an und bereiten sich selbstständig auf die Prüfungen vor. Die Lernbegleiter respektive Lehrer unterstützen diesen Prozess. Der kantonale Lehrplan stellt dabei weiterhin die Basis dar, was auch den Übertritt an weiterführende Schulen gewährleistet.

SBW Secundaria Häggenschwil

Die SBW betreibt die Oberstufe im Auftrag der Gemeinde Häggenschwil als eine private Schule. Für Kinder aus der Gemeinde ist der Schulbesuch gratis, die Eltern von auswärtigen Kindern müssen ein Schulgeld bezahlen. Die Rahmenvereinbarung wurde 2015 aufgrund der guten Erfahrungen vorzeitig er­neuert. In der neuen Rahmenvereinbarung wurde bis 2021 ein Schulgeld von pauschal 900 000 Franken festgelegt. Häggenschwil erhält dazu noch die Miete für das Gebäude. Bei den aktuellen Schülerzahlen ergibt das für Häggenschwil Kosten pro Schüler von rund 21 500 Franken brutto und 20 000 Franken netto. Angesichts eines erwarteten Anstiegs der Schülerzahlen dürften diese Kosten in den nächsten Jahren noch sinken. Dank der Vereinbarung mit SBW konnte Häggenschwil damit nicht nur die Oberstufe im Dorf halten. Vielmehr stellt es für die Gemeinde eine kostengünstige Lösung dar, und die innovativen Lernkonzepte stellen eine Bereicherung für Schule und Dorf dar.

Im Vergleich tiefe Kosten

In den letzten Jahren mit der alten von der Gemeinde geführten Oberstufe lagen die Kosten pro Schüler in Häggenschwil zwischen 22 000 und 25 000 Franken, dies gemäss der Fista-Statistik des Kantons. Im Vergleich zu vorher spart die Gemeinde damit Geld; dies, obwohl die Schülerzahlen weiter gesunken sind. Auch im Vergleich zu anderen Oberstufen des Kantons sind die Kosten tief. Für 2015 weist die Fista für die Oberstufe des Kantons St. Gallen durchschnittliche Ausgaben von etwa 23 500 Franken aus (siehe Abbildung). Unter den reinen Oberstufen waren die Ausgaben 2015 in der Oberstufe Mittelrheintal am tiefsten, mit rund 21 000 Franken pro Schüler. Dabei handelt es sich um eine relativ grosse Schule mit rund 500 Schülern. Auch Altstätten ist mit rund 400 Schülern relativ gross. Weesen-Amden mit rund 85 Schülern weist dagegen Kosten pro Schüler von über 30 000 Franken aus. Und auch Wittenbach, eine der vom Kanton für Häggenschwil vorgesehenen Alternativen, liegt mit Kosten von knapp 25 000 Franken deutlich über dem von Häggenschwil bezahlten Betrag.

Private Angebote fördern Innovationen …

Wettbewerb fördert Innovation und erhöht die Qualität. Was in der Wirtschaft allgemein anerkannt ist, gilt auch für Bildungsangebote. In der Schweiz wird das Schulsystem durch staatliche Anbieter dominiert, von den Kindergärten bis zu den Hochschulen. Die öffentliche Finanzierung dieser Angebote lässt nur wenig Raum für private Anbieter. Eine Folge der öffentlichen Dominanz sind die geringen Unterschiede zwischen den verschiedenen Angeboten. Der Schulunterricht läuft in der ganzen Schweiz nach mehr oder weniger dem gleichen Muster ab. Bildungsverordnungen, Lehrpläne und traditionelle Methoden wie Frontalunterricht oder Auswendig­lernen des Schulstoffs dominieren. Eine spezielle Bildungsbürokratie wacht über die Einhaltung der Vorschriften. Es ist bekannt, dass diese Uniformität gerade für Schüler mit speziellen Bedürfnissen oder besonderen Talenten zu unbefriedigenden Resultaten führt. Und auch bei den anderen Schülern leiden Motivation und Freude am Lernen. Resultat ist ein teures System, welches das Potenzial der Schüler bei Weitem nicht ausschöpft.

…auch in der Berufsbildung

Neben einer Reihe von allgemeinbildenden Schulen bietet die inzwischen von Reto Ammann geleitete SBW auch eine Berufsausbildung für Mediamatiker an. Die «SBW Neue Medien» in Romanshorn bildet seit 1999 Mediamatiker mit EFZ und BMS aus. Die ersten beiden Lehrjahre decken vor allem den schulischen Teil der Ausbildung ab und werden intern in der Schule in Romanshorn absolviert. Im dritten und vierten Lehrjahr arbeiten die Lernenden dann in Betrieben, in denen sie ihre schulischen Kenntnisse in die Praxis umsetzen können und weiter ausgebildet werden. Das Angebot wird über einen Leistungsauftrag des Kantons Thurgau und über Beiträge der Firmen finanziert, bei welchen die Lernenden im dritten und vierten Jahr arbeiten. Die Nachfrage für das Ausbildungsangebot ist hoch, sowohl auf Seite der Lernenden als auch auf Seite der Betriebe.

Neue Lösung für Informatiklehre

Das Angebot trifft nicht nur auf grosse Nachfrage, sondern wird auch inhaltlich als sehr gut beurteilt. So wurde die Mediamatikerausbildung von «SBW Neue Medien» von ICT Switzerland 2017 mit dem 1. Platz des «ICT Education & Training Awards» in der Kategorie Bildungsinstitution ausgezeichnet. Das Angebot von «SBW Neue Medien» steht auch den anderen Ostschweizer Kantonen offen. Es wäre eine Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen und Schwierigkeiten in der Informatikausbildung.¹ Die beiden Basislehrjahre sind eine Lösung für ein oft genanntes Problem in der Informatikausbildung, dem anfänglich ungenügenden Wissen der Lehrlinge. Informatiklehrlinge benötigen im Betrieb auch für einfache Arbeiten Kenntnisse, welche sie in der Schule oft erst viel später erwerben. Verschiedene Lehrbetriebe sind deshalb dazu übergegangen, ihre Lehrlinge zuerst ein Basislehrjahr absolvieren zu lassen. Das private Angebot stellt zudem sicher, dass sich Qualität und Inhalte des Unterrichts an den Bedürfnissen von Lernenden und Lehrbetrieben ausrichten. Wettbewerb erhöht die Qualität und fördert Innovationen, auch in der Bildung.

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