Konjunktur
Inflation nach russischer Invasion
Weshalb die Schweiz verschont blieb.

7. März 2025, Leo di Luzio
Die durch die russische Invasion verursachte Energiemangellage trieb die Inflation in Europa in die Höhe. Die Schweiz blieb davon jedoch weitestgehend verschont – aus drei Gründen.
Nach der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 drehte Russland Europa den Gashahn zu. Gleichzeitig senkten europäische Länder aktiv ihre Abhängigkeit von russischem Gas, unter anderem durch alternative Bezugsquellen. Daraufhin explodierten die Gaspreise auf dem ohnehin schon angespannten europäischen Energiemarkt. Zusätzlich hatten die sich von der Coronapandemie erholenden europäischen Volkswirtschaften mit Lieferengpässen und hohen Frachtkosten zu kämpfen.
In der Folge schnellten die Preise vieler Güter in die Höhe. Tschechien verzeichnete 2022 im Schnitt eine Inflationsrate von 14,8 Prozent. In der EU lag sie bei 9,2 Prozent – der höchste Stand der letzten vier Jahrzehnte.1
Schweizer Ausnahmeerscheinung
Als ressourcenarme und handelsorientierte Volkswirtschaft, so könnte man meinen, hätte die Schweiz von ähnlich hohen Inflationsraten betroffen sein müssen. Tatsächlich blieb der Schweiz dieses Ungemach jedoch erspart. Die höchste Inflationsrate in der Schweiz betrug 3,5 % im August 2022. Damit verzeichnete sie die geringste Teuerungsrate aller europäischen Länder (siehe Grafik 1).
Mittels statistischer Analysen konnten drei Faktoren identifiziert werden, welche die Inflation in der Zeit nach der Invasion dämpften.
1. Starker Franken dämpft Inflation
Neben dem US-Dollar und dem japanischen Yen gilt der Schweizer Franken traditionell als Fluchtwährung. Investoren suchen in turbulenten Zeiten «sichere Häfen», in denen politische und wirtschaftliche Stabilität sowie eine zuverlässige Wertbeständigkeit herrschen. Nach Kriegsausbruch «flohen» Investoren in den Schweizer Franken, tauschten also riesige Summen von Fremdwährungen in unsere Währung ein. In der Folge wertete der Franken zwischen Januar 2023 und April 2024 real auf. Das heisst, dass dieser gegenüber anderen Währungen an Kaufkraft gewann. Im Umkehrschluss konnte dadurch die Inflation von importierten Gütern und Erdgas abgefedert werden (siehe Grafik 2).
2. Geringe Abhängigkeit von Gas
Die hohen Gaspreise waren ein zentraler Inflationstreiber in europäischen Ländern. Im europäischen Vergleich macht Erdgas in der Schweiz mit 12,1 Prozent jedoch nur einen kleinen Anteil des Energiemixes aus. In Deutschland sind es 25,9 Prozent, in Italien gar 40,9 Prozent.2 Dank der geringen Abhängigkeit von Gas als Energieträger hielt sich der inflationäre Effekt der hohen Gaspreise für die Schweiz in Grenzen.
«Wäre die Schweizer Wirtschaft stark gewachsen, hätte dies den Inflationsdruck zusätzlich erhöht.»
Leo di Luzio
Projektmitarbeiter Research, IHK St.Gallen-Appenzell
3. Schwaches Wirtschaftswachstum verhindert zusätzlichen Inflationsdruck
Das makroökonomische Umfeld in der Schweiz dämpfte den verhältnismässig hohen Inflationsdruck. Wäre die Schweizer Wirtschaft stark gewachsen, hätte dies den Inflationsdruck zusätzlich erhöht, da die Nachfrage nach Arbeitskräften und folglich auch deren Löhne gestiegen wären. Die dadurch angeregten Konsumausgaben hätten den Preisdruck «nach oben» verstärkt. 2023 fiel das reale BIP-Wachstum mit 0,7 Prozent jedoch recht gering aus. Das langfristige mittlere BIP-Wachstum der Schweiz liegt bei etwa 1,8 Prozent pro Jahr.3
Ausblick
Die Prognosen für die kommenden Jahre gehen von einem soliden Wachstum der Schweizer Wirtschaft aus. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Teuerungsrate innerhalb des Zielbandes der SNB bleibt. Auch die Hochinflationsperiode in Europa scheint vorerst überstanden.
Der zur Stärke tendierende Franken ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits belastet er die Exportwirtschaft, andererseits mildert er die «importierte Inflation» ab. Um extremer Inflation vorzubeugen, sollte sich die Schweizer Wirtschaft jedoch nicht allein auf den starken Franken verlassen, sondern bei Energie- und Vorprodukteimporten weiter diversifizieren. Dadurch ist sie weniger verwundbar, wenn die Preise wichtiger Importprodukte oder -rohstoffe in einigen Ländern im Ausland plötzlich rasant in die Höhe schiessen.
Literatur
1 Statistisches Bundesamt (Destatis)
2 Energy Institute
3 Bundesamt für Statistik (BFS)