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Im Verwaltungsrat schlummert ein grosses Potenzial

VR-Seminar 2016: Christoph Brunner im Gespräch Im Verwaltungsrat schlummert ein grosses Potenzial

Robert Stadler

Christoph Brunner ist Partner und Geschäftsleitungsmitglied der OBT AG und organisiert im Juni zusammen mit der IHK ein Verwaltungsratsseminar, das speziell auf Familienunternehmen und KMU ausgerichtet ist. Im Interview erklärt Christoph Brunner, welche Besonderheiten bei Familienunternehmen zu beachten sind, wie sich die Arbeit als Verwaltungsrat entwickelt hat und welche Fähigkeiten ein angehendes VR-Mitglied mitbringen sollte.

Sie führen mit der IHK alle zwei Jahre ein VR-Seminar durch. Wem würden Sie das Seminar besonders empfehlen?

Christoph Brunner: Das Seminar lebt vom Wissenstransfer und vor allem auch vom Erfahrungsaustausch. Ich empfehle das Seminar daher gerne allen aktiven Verwaltungsräten, aber auch solchen, die neu in eine VR-Aufgabe hineinwachsen wollen.

Was lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim dreitägigen Seminar?

Wir definieren die VR-Tätigkeit in drei Themenkreise. Der VR ist sicherlich zum einen ein Kontrollorgan. Daneben sollte er sich aber auch als Führungs- und Gestaltungsorgan ausweisen können. Zu diesen drei Themenkreisen wollen wir Wissen austauschen und entsprechende Instrumente vorstellen. Zusätzlich – und das scheint mir ein grosser Mehrwert zu sein – besuchen wir auch zwei Unternehmen, um möglichst einen grossen Praxisbezug herstellen zu können.

Der Seminartitel lautet «VR-Praxis in Familienunternehmen und KMU». Welche Besonderheiten sind bei Familienunternehmen zu berücksichtigen?

Prägend im Verwaltungsrat eines Familien­unternehmens ist, dass der Inhaber selber in vielen Fällen den VR dominiert und oftmals auch die Geschäftsführung abdeckt. Die weitgehende Personalunion kann eine Entfaltung des Verwaltungsrates erschweren oder gar verhindern. Im Weiteren erfolgt die Zusammensetzung meist nach familiären Gesichtspunkten und weniger nach einem definierten Anforderungsprofil. Konfliktpotenzial in der Familie wird zudem oftmals im VR ausgetragen. Eine breitere Abstützung des Verwaltungsrates mit externen Mitgliedern könnte in solchen Situationen das Unternehmen weiterbringen und bei familiären Spannungen ausgleichend wirken.

Bei Familienunternehmen kann ein Nachfolger relativ plötzlich und ohne grosse Vorbereitungszeit in der Verantwortung stehen. Wo lauern da die Risiken?

Hier sehe ich auch die Chancen für eine Familienstrategie (Eignerstrategie, Familien-Charta). Gerade ein Familienunternehmen sollte gewappnet sein für Veränderungen im Unternehmen. Trifft eine solche Veränderung völlig unvorbereitet ein, dann kann dies unter Umständen für das Unternehmen kritisch werden. Die Formulierung einer Familienstrategie, bei der verschiedene Szenarien planerisch durchgedacht werden, könnte in vielerlei Hinsicht Sicherheit geben und Klarheit schaffen.

Wie hat sich die Aufgabe eines Verwaltungsrates in den letzten Jahren verändert?

Die Aufgaben haben sich grundsätzlich nicht wesentlich verändert. Jedoch hat sich das Bewusstsein für die Tätigkeit des Verwaltungsrates massgeblich erhöht. Leider ist das VR-Image geprägt von den grossen Unternehmen. In den Medien wird bedauerlicherweise mehr über Honorare und Personen gesprochen, als über Aufgaben und Leistung.

Öffentliche Fälle wie Swissair und andere haben jedoch dazu geführt, dass sich viele Verwaltungsräte bewusst geworden sind, dass sie eine wichtige und prägende Funktion ausüben und entsprechend Verantwortung zu tragen haben. In vielen Verwaltungsräten hat in den vergangenen Jahren eine Professionalisierung stattgefunden. Auch wurde erkannt, dass mehr aus der VR-Tätigkeit gemacht werden könnte. Veranstaltungen wie dieses ­Seminar der IHK und OBT unterstützen diesen Prozess massgeblich.

Sie gliedern das Seminar in die drei wichtigsten Aufgabengebiete eines Verwaltungsrates: Kontrolle, Führung, Gestaltung/Strategische Gesamtverantwortung. Welches ist die wichtigste Aufgabe eines VR?

Welche Aufgabe im VR die wichtigste ist, hängt auch von der momentanen Situation des Unternehmens ab. Bei einem Start-up- Unternehmen sind andere Herausforderungen zu meistern als in einem überschuldeten Unternehmen. Je nach Situation kommt dem Kontroll- und Führungsaspekt vielleicht mehr Bedeutung zu. In einer anderen Situation kann aber vor allem die Gestaltungsfähigkeit gefragt sein.

Die Ansprüche an den VR verändern sich im Verlauf der unternehmerischen Lebensphasen. Diesem Aspekt sollte bei der Zusammensetzung und Veränderung des Verwaltungsrates noch mehr Rechnung getragen werden. Ein VR-Amt sollte kein lebenslanges Mandat sein.

Wie unterscheiden sich die Aufgaben eines Verwaltungsrates je nach Branche?

Ich sehe keine wesentlichen Unterschiede. Natürlich wird die eigentliche Tätigkeit jeweils von der Funktionsweise der Branche geprägt sein. Die im OR 716 formulierten nicht delegierbaren Aufgaben gelten für alle Unternehmen gleichermassen.

Welche Qualitäten sollte ein angehendes Verwaltungsratsmitglied mitbringen?

Eine Grundvoraussetzung ist sicherlich, dass eine hohe Motivation für die Tätigkeit und ein ehrliches Interesse am Unternehmen vorhanden ist. Zudem sollte genügend Zeit zur Verfügung stehen.

Ideal ist, wenn ein Verwaltungsrat eine schnelle Auffassungsgabe besitzt, Sachverhalte in übergeordneten Dimensionen betrachten kann und eine gesunde kritische Haltung hat. Wichtig erscheint mir auch der Wille, sich zur Geschäftsführung abzugrenzen. Der VR ist ein klar strategisches Organ und hat mit der operativen Geschäftsführung unmittelbar nichts zu tun. Natürlich gibt es viele persönliche Eigenschaften, die nützlich sind (Führungsstärke, Kommunikation, Krisenfestigkeit, Netzwerker, Teamfähigkeit, etc.). Jedoch muss man sich bewusst sein, dass sich nicht alle Kriterien auf einer Person vereinen können.

Die fachlichen Ansprüche ergeben sich aus dem geforderten Profil eines Verwaltungs­rates. Dieses hängt im Wesentlichen von der konkreten Situation ab. Jedoch sollten sich alle Mitglieder über finanzielle Kenntnisse auszeichnen können. Letztlich haben alle Entscheide finanzielle Auswirkungen.

10 Gebote der VR-Tätigkeit

  • Kenntnisse der Aufgaben
  • Zeit haben
  • Informationen über das Unternehmen beschaffen
  • Finanzkenntnisse
  • Motivation und Interesse
  • Sich der Verantwortung bewusst sein
  • Zusammensetzung des Verwaltungsrates
  • Planung und Struktur der VR-Tätigkeit
  • Abgrenzung zur operativen Tätigkeit
  • Leistungskontrolle im VR