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Hohe Reallöhne in der Ostschweiz

Tiefe Lebenshaltungskosten kompensieren Rückstand bei Löhnen Hohe Reallöhne in der Ostschweiz

Dr. Frank Bodmer, Leiter IHK-Research

Die günstigen Lebenshaltungskosten machen die tieferen Löhne in der Ostschweiz mehr als wett. Einzig bei den Führungskräften besteht ein Lohnrückstand auf den Schweizer Durchschnitt. Allerdings ist dies weniger auf eine tiefere Entlöhnung derKadermitarbeitenden zurückzuführen als vielmehr auf d­en Ostschweizer Branchenmix. Ganz anders sieht dies bei der öffentlichen Hand aus: Hier liegen die Ostschweizer Löhne im oder sogar über dem Schweizer Mittel – obwohl auch Staatsangestellte von den tieferen Lebenshaltungskosten in der Ostschweiz profitieren.

Die Ostschweizer Löhne liegen gesamthaft unter dem schweizerischen Durchschnitt. Grosse Beachtung finden dabei immer wieder die relativ tiefen Löhne von Führungskräften. Allerdings ist dies nicht auf eine tiefere Entlöhnung von Führungskräften einzelner Branchen zurückzuführen, sondern auf den Ostschweizer Branchenmix. Dem Befund der tieferen Löhne entzieht sich allerdings der öffentliche Sektor, mit Löhnen im oder über dem schweizerischen Durchschnitt. Insgesamt machen die tieferen Lebenshaltungskosten den Rückstand bei den Löhnen aber mehr als wett, womit die Löhne im öffentlichen Sektor relativ hoch ausfallen.

Tiefere Kaderlöhne wegen Branchenmix

Die Ostschweizer Löhne liegen im Durchschnitt etwa 6 % unter dem schweizerischen Mittel (siehe Grafik).1 Die Ostschweiz ist dabei die Region mit dem zweittiefsten Lohnniveau. Nur im Tessin liegt der Durchschnittslohn noch darunter. Ein tiefer Durchschnittslohn kann entweder durch tiefere Löhne in einer Mehrzahl der Branchen oder durch einen hohen Anteil von Branchen mit relativ tiefen Löhnen verursacht werden. Zu letzteren gehören zum Beispiel die Landwirtschaft, der Tourismus oder der Detailhandel. Branchen mit sehr hohen Durchschnittslöhnen sind dagegen Pharma, IT oder Finanzdienstleistungen. Für die Ostschweiz spielen beide Faktoren eine Rolle.

Speziell auffällig ist der Ostschweizer Lohnrückstand bei den Führungskräften.2 Um ganze 17 % liegen deren durchschnittliche Löhne unter dem schweizerischen Mittel. Oft wird dies zum Anlass genommen, über zu tiefe Löhne für Führungskräfte und eine daraus folgende mangelnde Attraktivität der Ostschweiz zu klagen. Das ist so aber nicht korrekt. Bei den Führungskräften spielt der Branchenmix nämlich eine besonders grosse Rolle. Betrachtet man die Löhne von Führungskräften in der Maschinen- und der Metallindustrie oder dem Fahrzeugbau, so liegen die Ostschweizer Löhne in etwa auf Schweizer Niveau. Bei den Finanzdienstleistungen ist der Rückstand dagegen erheblich, was aber vor allem auf die grössere Bedeutung des Kundengeschäftes in der Ostschweiz zurückzuführen ist. Die Löhne im Retailbanking sind nämlich sehr viel tiefer als im Investmentbanking. Daneben spielt auch die Grösse der Unternehmung eine Rolle. In grossen, international tätigen Firmen werden insbesondere bei Führungskräften höhere Löhne gezahlt.

Staatliche Löhne auf Schweizer Niveau

Im staatlichen und staatsnahen Bereich liegen die Löhne dagegen auf Schweizer Niveau oder sogar noch darüber. In der öffentlichen Verwaltung entspricht der Durchschnittslohn ziemlich genau dem schweizerischen Mittel, bei Erziehung und Unterricht ist er sogar leicht höher. Allgemein sind die regionalen Lohnunterschiede in den staatlichen und staatsnahen Branchen sehr viel kleiner als im privaten Sektor.3 Kantone und Gemeinde zahlen offensichtlich sehr ähnliche Löhne, ungeachtet dessen, wo sich die Stelle befindet. Das ist ein Zeichen für bürokratische Lohnregeln, da es eigentlich gute Gründe für regionale Unterschiede bei den Löhnen geben würde.

Günstige Lebenshaltungskosten kompensieren tiefere Löhne

Im Vergleich zu den meisten anderen Regionen weist die Ostschweiz auch tiefere Lebenshaltungskosten auf. Immobilienpreise und Mieten sowie Krankenkassenprämien sind tiefer als in den meisten anderen Regionen. Auch bei den Steuern sparen Haushalte in der Ostschweiz im Vergleich zu solchen im Espace Mittelland oder der Westschweiz. Damit verbleibt einem Ostschweizer Haushalt mehr von einem bestimmten Einkommen als in anderen Regionen. Für die Grossregion Ostschweiz liegen die Lebenshaltungskosten um knapp 10 % unter denjenigen der Schweiz. Eine Ostschweizer Arbeitgeberin kann damit einen tieferen Lohn offerieren und im Wettbewerb um Arbeitskräfte trotzdem konkurrenzfähig bleiben.

Hohe Löhne und das Loch bei der SGPK

Die gleiche Logik gälte eigentlich auch für die öffentliche Hand. Für Beamte und Lehrer ist das Leben in der Ostschweiz natürlich ebenfalls billiger als in anderen Regionen. Sie erhalten damit im Durchschnitt höhere Reallöhne als in anderen Regionen. Ob das nötig und angemessen ist, hängt auch von den Re­krutierungsmöglichkeiten ab und wird in jedem Fall unterschiedlich zu beurteilen sein. Bei der Sanierung der Pensionskassen des Personals der öffentlichen Dienste, es ist vor allem an den Kanton St. Gallen zu denken, sollte dieser Aspekt aber auf jeden Fall berücksichtigt werden. Neben überdurchschnittlichen Löhnen sollten die Steuerzahler, welche ja selber in der Regel die tieferen Ostschweizer Löhne erhalten, nicht auch noch grosszügige Regelungen bei der St. Galler Pensionskasse SGPK schultern müssen.