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Hochpreisinsel Staat

Hohe Schweizer Preise: Ausmass und Gründe Hochpreisinsel Staat

Dr. Frank Bodmer

Spricht man über den Einkaufstourismus im benachbarten Ausland werden gerne die Preisunterschiede bei Pflegeprodukten ins Feld geführt. Weitaus die grössten Preisaufschläge muss man in der Schweiz jedoch für Güter berappen, die sich nicht einer ausländischen Konkurrenz stellen müssen. So schlagen im Vergleich zum EU-Durchschnitt die stationären Spitalbehandlungen mit einem Aufschlag von stolzen 150% zu Buche. Auch unsere Bildung ist im internationalen Vergleich sehr teuer und treibt unser Preisniveau in die Höhe.

Mit der Erstarkung des Schweizer Frankens ist das Problem der hohen Schweizer Preise wieder in den Fokus gerückt. Die Konsumenten reagieren mit direkten Einkäufen im Ausland auf die teilweise eklatanten Preisunterschiede. Im Parlament soll demnächst wieder eine Verschärfung des Kartellrechts beraten werden, wovon sich Preissenkungen im Inland erhofft werden. Die Verantwortung für die hohen Schweizer Preise wird dabei zu einem wesentlichen Teil bei den Produzenten von Markenartikeln gesehen, welche Parallelimporte in die Schweiz verhindern. Solche Fälle gibt es zwar einige. In vielen anderen Fällen ist aber die Politik selber für die hohen Schweizer Preise verantwortlich. Oft wird zudem übersehen, dass der zentrale Grund für unser Preisniveau beim hohen schweizerischen Wohlstand liegt. Dieser zeigt sich in hohen Schweizer Löhnen, welche die Kosten und damit die Preise für alle nichthandelbaren Aktivitäten steigen lassen.

Grosse Unterschiede bei Preisaufschlägen

Relativ zum Durchschnitt der EU ist die Schweiz beim Gesundheitswesen am teuersten, zum Beispiel mit einem Preisaufschlag von stolzen 150% bei stationären Spitalbehandlungen (siehe Grafik). Auch Bildung ist im internationalen Vergleich sehr teuer. Immer noch sehr gross ist der Preisaufschlag beim Wohnen, wo sowohl Bauten als auch Boden sehr teuer sind. Dicht darauf folgen Nahrungsmittel und Gaststätten. Bei anderen Gütern des täglichen Bedarfs wie Bekleidung, Nachrichtenübermittlung und Haushaltsgeräte halten sich die Preisunterschiede mit einem Plus von rund 20% dagegen in Grenzen. Und auch bei Investitionsgütern wie Maschinen sind die Preisunterschiede relativ klein. Am Schluss der Rangliste finden sich alkoholische Getränke und Software. Im Jahr 2015 dürften sich die Preisunterschiede aufgrund des starken Frankens bei vielen Gütern weiter akzentuiert haben.

Wettbewerb senkt die Preise

Grundsätzlich gilt, dass internationaler Wettbewerb die Preise senkt. Deshalb liegen die Preise vieler Investitionsgüter und Güter des täglichen Bedarfs in der Schweiz auf ähnlichem Niveau wie im Ausland. Ein Grossteil dieser Güter wird im Ausland hergestellt und in die Schweiz importiert. Die verbleibenden schweizerischen Produzenten müssen die höheren Kosten über eine höhere Produktivität oder eine bessere Qualität kompensieren, ansonsten können sie nicht überleben.

Anders sieht die Sache bei nichthandelbaren Gütern aus. Hier besteht der Druck der günstigen ausländischen Konkurrenz nicht. Zudem gilt, dass die durchschnittlichen Löhne in Ländern mit einem hohen Lebensstandard hoch sind. Das allein führt in reichen Ländern wie der Schweiz zu höheren Preisen für nichthandelbare Güter. Fehlt zudem der interne Wettbewerb, treibt das die Preise weiter in die Höhe. Beide Faktoren erklären zumindest einen Teil der hohen Preise für Gesundheit und Bildung. Und auch der Detailhandel ist von den hohen Schweizer Kosten betroffen.

Dass Wohnen in der Schweiz so teuer ist, hängt ebenfalls mit dem hohen Wohlstandsniveau zusammen. Im Bau- und Baunebengewerbe ist die internationale Konkurrenz schwach. Zwar ist es seit Einführung der bilateralen Verträge möglich, ausländische Anbieter zu berücksichtigen. Diese sind aufgrund der flankierenden Massnahmen aber gezwungen, Schweizer Löhne zu bezahlen, womit ein wichtiger Kostenvorteil wieder verloren geht. Beim Wohnen spielt zudem der Faktor Boden eine wichtige Rolle. Dieser ist in der dicht besiedelten Schweiz knapp, was den Bodenpreis in die Höhe treibt. Restriktive Bau- und Zonenvorschriften führen zu einer weiteren Verteuerung.

Staatliche Vorschriften als Preistreiber

Staatliche Vorschriften sind auch in anderen Bereichen ein wichtiger Grund für die hohen schweizerischen Preise. Zölle und quantitative Handelshemmnisse verteuern die Lebensmittelpreise in der Schweiz. Ziel dieser Eingriffe ist natürlich der Schutz der schweizerischen Landwirtschaft. Bei den Gesundheitsleistungen, wo die Preise am höchsten sind, spielt der Wettbewerb kaum. Vielmehr ist der gesamte Gesundheitssektor von einer Vielzahl von staatlichen Eingriffen überzogen. Die Folgen sind Überkapazitäten, hohe Kosten und eine ungebremste Mengenausweitung.

Hat das hohe Schweizer Preis- und Lohn­niveau eine Zukunft?

Man kann sich fragen, ob die Schweiz mit solch hohen Löhnen und Preisen wirtschaftlich überhaupt noch eine Zukunft hat. Solange die Schweizer Exportwirtschaft die hohen Löhne über eine hohe Produktivität kompensieren kann, ist das durchaus vorstellbar. Sollte sie diese Anpassung aber nicht mehr schaffen oder die Schweiz in anderen Bereichen deutlich an Attraktivität verlieren, so müsste bei Löhnen und Preisen eine Anpassung nach unten erfolgen. Nachdem sich die Schweiz in vielen Bereichen Extras leistet – zu denken ist an die grosszügige Unterstützung der Landwirtschaft oder an die sehr gute, aber auch sehr teure Gesundheitsversorgung – gäbe es durchaus Raum für eine solche Anpassung. Und würden die Preise von staatlich regulierten und nichthandelbaren Gütern gleichzeitig mit den Löhnen fallen, so müssten sich daraus nicht einmal grössere Einbussen beim durchschnittlichen Lebensstandard ergeben. Trotzdem wäre ein solcher Prozess mit Verteilungskonflikten verbunden und deshalb nur schwer zu bewältigen. Es muss gehofft werden, dass die Schweizer Exportwirtschaft die Anpassung an die erhöhten Schweizer Kosten ein weiteres Mal schafft.