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Gesucht: Empathie, Elan und Bodenhaftung

Umfrage bei Ostschweizer Personal-Rekrutierern: Was zeichnet eine Führungskraft heute aus? Gesucht: Empathie, Elan und Bodenhaftung

Gibt der Ostschweizer Arbeitsmarkt die benötigten Führungskräfte überhaupt her? Wo besteht allenfalls ein Mangel? Welche Anforderungen werden heute an Führungskräfte gestellt? Und welche Rolle spielen unsere Bildungsinstitutionen in der Ostschweiz bezüglich Kadermitarbeitenden? Sieben Verantwortliche von Ostschweizer Personalbüros geben Auskunft darüber, was ihnen beim Suchen und Finden von geeigneten Führungskräften auffällt.

Erich Mosberger, PARCON Management AG

Erich MosbergerDurch die Globalisierung und den technologischen digitalen Wandel gewinnen Führungskriterien an Bedeutung, die sich auf die Unternehmensentwicklung fokussieren. Das Potenzial, die Unternehmenszukunft effektiv zu gestalten, steht im Zentrum. Wichtig dafür sind überdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten, ein starker Wille zum Erfolg und die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Menschen in verschiedenen Situationen und Kulturen zurechtzukommen.
Offenkundig ist, dass der grösste Teil der Führungstätigkeit sozial-interaktiv gestaltet ist. Weil diese Inhalte in der beruflichen Aus- und Weiterbildung weitgehend unberücksichtigt bleiben, ist es notwendig, solche Kompetenzen zu vermitteln und zu trainieren. Am effektivsten und effizientesten geschieht dies in der innerbetrieblichen Führungskräfte-Entwicklung, wo gleichzeitig unternehmenskulturelle Gegebenheiten mitberücksichtigt werden können.
Kann man «Führen» lernen? Die Antwort heisst: ja – zumindest weitgehend. Es bleiben letztlich Persönlichkeitsmerkmale, die man nicht lernen kann und die man entweder hat oder eben nicht: Empathie, Bescheidenheit und Demut. Das sind urmenschliche Eigenschaften, die dazu beitragen, in einem Führungsumfeld eine Vertrauenskultur zu schaffen. Und wie Reinhard K. Sprenger schon trefflich sagte: «Vertrauen führt!»
Im Gegensatz zu allgemeinen Verlautbarungen stehen auf dem Markt ausreichend Führungskräfte zur Verfügung. Das zeigt sich am Bewerbungsrücklauf auf entsprechende Stellenanzeigen. Führungspositionen finden meistens hohe Resonanz, während Fachleute (vor allem in technischen Disziplinen) tatsächlich «Mangelware» sind. Der «War for Talents» findet also nicht nur beim Führungskräftenachwuchs, sondern und insbesondere im Fachspezialistenbereich statt. Ob es sich bei den Bewerbenden um «Trouvaillen» handelt, macht sich letztlich an deren Fähigkeit und Bereitschaft fest, sich mit Herzblut auf eine gegebene Firmenkultur einzulassen und Teil einer Mann-/Frauschaft werden zu wollen. Nicht wegen des Titels oder der statusträchtigen Position, sondern wegen der Aufgabe, die es zu erfüllen gilt.

Hans-Ruedi Sury, Universal-Job AG

Hans-Ruedi SuryEine grosse aktuelle und künftige Herausforderung sehe ich bei den Interessen, Wertvorstellungen und Zielen der Y-Generation, die nun langsam in Führungspositionen aufsteigt.
Es gilt, verschiedene Generationen in Teams zu integrieren, Motivatoren und Hygienefaktoren zu hinterfragen und neu zu definieren. Demotivation zu verhindern, das Potenzial der Y-Generation zu erkennen, zu fördern und zu fordern, Freiräume für Autonomie zu schaffen, Begeisterung zu erzeugen, ein positives Arbeitsklima zu schaffen und langfristige Perspektiven aufzuzeigen. Was bleibt, ist, dass zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivierter und produktiver sind, was einen Gewinn für alle bedeutet.
Die Schnelllebigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig im Blick zu behalten, mit dem schnellen Wandel Schritt zu halten und innovativ zu bleiben, aber auch die Digitalisierung, jederzeit für jedermann und überall verfügbar zu sein, sind weitere Herausforderungen, mit denen Führungskräfte immer stärker konfrontiert werden. Damit werden die Work-Life-Balance und sich Zeit für Regeneration nehmen auch in Zukunft nicht an Wichtigkeit verlieren.
Bei der Suche, Rekrutierung und Vermittlung von Führungskräften legen wir bei der Universal-Job ein besonderes Augenmerk auf die Soft Skills. Von der persönlichen Besprechung der Vakanz beim Kunden, dem Kennenlernen von Bezugspersonen und bestehenden Teams über persönlichkeitsbezogene Stellenausschreibungen und Temperamentsanalysen bis zum persönlichen Interview legen wir grossen Wert auf die Sozialkompetenzen, ohne dabei das Fach- und Praxiswissen zu vernachlässigen.

Dr. Marcus Wittner, contagi GmbH

Dr. Marcus WittnerDie momentanen Umbrüche in der Ostschweizer Wirtschaft sind tiefgreifender als alles, was wir bisher erlebt haben. Digitale Transformation, virtuelle Arbeitswelten, Ressourcenknappheit, demografische Entwicklung und Vernetzung sind nur einige der Treiber. Die klassischen Managementinstrumente greifen in diesem Umfeld immer weniger. Damit verliert die traditionelle Ausbildung unserer Führungskräfte immer mehr ihre Wirksamkeit. Und die Führungskräfte spüren das. Sie müssen immer häufiger Entscheidungen unter dem vollständigen Fehlen von bekannten Daten treffen. Damit verlieren auch Erfahrungswerte zunehmend an Bedeutung. Immer häufiger müssen die Führungskräfte ihre Unternehmen in völliges Neuland führen. Dazu braucht es zwar immer noch solide betriebswirtschaftliche Kenntnisse, sie werden aber immer mehr zur hinreichenden Nebenbedingung.
Erkenntnisse aus unterschiedlichen Disziplinen zu einem neuen sinnvollen Ganzen zu integrieren, Wahrscheinlichkeiten verlässlich zu beurteilen und in einer überbordenden Vielfalt von Einflussfaktoren Muster zu erkennen, das sind zentrale Fähigkeiten, die heute den Erfolg von morgen begründen. Und dann muss die erfolgreiche Führungskraft ihre Entscheidungen, die alles andere als selbsterklärend sind, den Menschen im Unternehmen so vermitteln, dass Orientierung, Zuversicht und Vertrauen entstehen.
Was uns als absoluter Mangel an Führungskräften – gerade in der Ostschweiz – erscheint, ist demnach eher ein Fehlen der richtigen Führungskräfte. Um dem zu begegnen, braucht es nicht mehr Führungskräfte, sondern geeignete Instrumente für die Auswahl und Entwicklung fähiger Führungskräfte für die Herausforderungen unserer Zeit.

Raphael Schönenberger, PMS Schönenberger AG

Raphael SchönenbergerFührungskräfte müssen nebst Fachkompetenz über eine hohe Sozialkompetenz und Empathie verfügen. Junge Fachkräfte und Generationen suchen nach Arbeit, die interessant, abwechslungsreich und sinnstiftend ist. Kann dies der Arbeitgeber nicht bieten, wird es zusehends herausfordernder, Talente zu gewinnen. Hier kommt Führungskräften eine grosse Bedeutung zu. Eine gute Führungskraft interessiert sich für ihre Mitarbeitenden, kennt deren Stärken und Schwächen und versteht es, den Nachwuchs zu entwickeln. Führungskompetenz ist nach meiner Auffassung eine Eigenschaft, die kaum von Leidenschaft und Zuverlässigkeit zu trennen ist. Liegt die Motivation zur Führungsfunktion ausschliesslich in monetären oder prestige­bedingten Gründen, verspricht dies wenig Erfolg.
Wir stellen in der Ostschweiz keinen Mangel an Personen fest, die gerne Verantwortung übernehmen und Führungskräfte werden wollen. Gute Führungskräfte zu finden, die den Anforderungen einer zeitgerechten Führung gerecht werden und in das jeweilige Umfeld eines Unternehmens passen, stellt allerdings eine interessante Herausforderung dar. Unternehmensspezifische Anforderungen an die Führungskraft sollten vom Verwaltungsrat mitbestimmt werden und kongruent mit der Unternehmenskultur sein.
Führung muss sowohl theoretisch wie auch praktisch erlernt werden. Der theoretische Teil wird von Bildungsinstitutionen sehr gut abgedeckt. Bezüglich des praktischen Aspekts kommt den Unternehmen selbst eine gewisse Verantwortung zu, indem sie Nachwuchskräften Chancen geben, entsprechende Erfahrungen zu sammeln.

Dr. iur. Hannes Grabher, Wilhelm AG

Dr. Hannes GrabherDie Anforderungen an Führungskräfte verändern sich in unserer immer komplexer werdenden Welt schnell. Nicht Fachthemen, sondern «weiche» Kompetenzen wie zum Beispiel emotionale Intelligenz, Empathie, strukturiertes Denken oder strategische Fähigkeiten gewinnen an Bedeutung. Das führt zu anderen Auswahlkriterien bei der Besetzung von Führungspositionen und bedeutet eine Abkehr von der in weiten Teilen der Wirtschaft immer noch gelebten Praxis, gute Fachleute zu Führungskräften zu machen. Dies ganz im Sinne der Überlegung: Er/sie ist fachlich gut, also kann er/sie auch führen. Beispielhaft möchte ich an dieser Stelle zwei Herausforderungen für Führungskräfte in einer digitalisierten Welt beschreiben: Loyalität und die Kommunikation mit Digital Natives.
Loyalität: Um erfolgreich zu sein, müssen Führungskräfte in Zukunft Wege finden, Loyalität zu ihren Mitarbeitenden und umgekehrt aufzubauen, da die traditionelle Loyalität zum Unternehmen in der künftigen Arbeitswelt weiter abnehmen wird. Es ist ein aufwendiger und anspruchsvoller Prozess, Loyalität unter diesen neuen Rahmenbedingungen zu erarbeiten. Im Kern bedeutet es, den Ansprüchen der Mitarbeitenden entgegenzukommen, ihnen eine selbstbestimmte Arbeitsweise zu ermöglichen und sie entsprechend ihren individuellen Eigenschaften zu führen.
Kommunikation mit Digital Natives: Führungskräfte werden lernen müssen, aus der Ferne zu führen und sich neuer, virtueller Kommunikationsmethoden zu bedienen, um den Bedürfnissen der ins Berufsleben einsteigenden «Digital Natives» Rechnung zu tragen. Gute Führung wird sich dadurch auszeichnen, eine wirkungsvolle Kombination von virtuellen und persönlichen Kontakten zu etablieren, um effektives Kommunizieren und Entscheiden zu ermöglichen.

Roger Nellen, Nellen & Partner

Roger NellenDer sogenannte «War for Talents» bei Stellen im Topmanagement und in Fachspezialistenfunktionen dürfte sich aufgrund des sich abzeichnenden demografischen Wandels zuspitzen. Insbesondere die Babyboomer-Generation geht bald in Pension und scheidet damit aus dem Markt aus. Das führt dazu, dass es nicht genügend Mitarbeitende gibt, um die offenen Stellen zu besetzen. Die frühzeitige Identifizierung und Bindung von Talenten in Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen wird damit immer wichtiger. Aktuell gelingt es erfolgreichen Unternehmen noch, die besten Mitarbeitenden auszuwählen. In Zukunft werden aufgrund des Arbeitskräftemangels jedoch die besten Mitarbeitenden die erfolgreichen Unternehmen auswählen. Mit dem sich derzeit vollziehenden gesellschaftlichen Wandel in Richtung Autonomie und Selbstverwirklichung verändert sich auch das Führungsverständnis: Es gibt kein klares Machtgefüge mehr im Vorgesetzten-Mitarbeiter-Verhältnis. Mitarbeitende erwarten Feedbacks, Coachings und die Möglichkeit, sich zu entwickeln.
Bei der Rekrutierung von Führungskräften auf C-Level und Verwaltungsräten für den Zielmarkt Deutschschweiz achtet Nellen & Partner neben der klassischen Passung, die auf dem Lebenslauf basiert, stark auf den charakterlichen und den kulturellen Fit mit der Organisation. Es scheint uns wichtig, dass Manager authentisch sind, Energie und Elan wie auch Bodenständigkeit ausstrahlen und die organisationalen Werte – insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen – glaubwürdig mittragen. Eine solche Führungskraft wird visionär, aber nicht abgehoben dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden dem Ergebnis ihrer Arbeit einen deutlich höheren Wert beimessen. In der Folge sind die Mitarbeiter zufriedener, gesünder und agieren loyaler gegenüber der Unternehmung, was sich schliesslich in einer nachhaltig positiven Entwicklung des Unternehmenserfolgs niederschlagen dürfte.

René Mätzler, Der Profi Personalmanagement AG

René MätzlerIn Bezug auf die Anforderungen für Führungskräfte zeigt sich, dass vor allem Kandidaten gesucht werden, welche ein Studium absolviert haben. Gefragt sind insbesondere Führungskräfte in technologischen Bereichen mit entsprechenden Weiterbildungen oder Studienabgänger. Gute Voraussetzungen hat, wer langjährige Erfahrungen ausweisen kann, weil unsere schnelllebige Gesellschaft keine Zeit mehr für lange Einarbeitungszeiten erlaubt. Ebenso sind Winner-Qualitäten und Durchsetzungsvermögen gefordert. Eine grosse Flexibilität auch mit der Bereitschaft zu Auslandsaufenthalten ist heute Selbstverständlichkeit.
Gerade im Rheintal besteht die Herausforderung, überhaupt Führungskräfte in die Region zu holen. Da die Weiterbildungsinstitute und Hochschulen in den Bereichen Forschung und Entwicklung weiter entfernt beheimatet sind, zieht es letztlich solche Studierende seltener zurück in ihre Heimat. Dies obwohl im Rheintal namhafte, hoch technologisch ausgerichtete Unternehmungen ansässig sind. Etwas anders zeigt sich die Situation in «mittleren» Stufen oder in gewerblich orientierten Branchen oder Segmenten.
Den Fachkräftemangel spüren wir besonders im Bereich Informatik. Software-Entwickler oder allgemein Programmierer sind eine seltene «Spezies» im Rheintal. Solche Vakanzen sind meist durch ausländische Mitarbeitende zu besetzen.
Im Rheintal sind drei Weiterbildungszentren beheimatet. Diese bieten mehr oder weniger dieselben Weiterbildungsmöglichkeiten an. Sei dies aufbauend auf kaufmännischen Grundausbildungen wie z. B. Personalwesen, Marketing, Betriebswirtschaft etc. Ebenfalls haben Interessierte aus der Umgebung die Möglichkeit, die nahgelegene Technikerschule zu besuchen. Diese Institutionen sind natürlich immens wichtig. Weiterbildungsmöglichkeiten «vor Ort» motivieren einerseits, dass diese auch besucht werden. Andererseits sind diese für die ansässigen Unternehmungen wichtig, um Führungskräfte und Fachkräfte zu gewinnen. So bleibt mindestens für Unternehmungen in der Region die leise Hoffnung, dass gut ausgebildete Führungspersonen heranwachsen. Die Universität St. Gallen mit ihrer Ausrichtung in Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Rechtswissenschaft ist für das Rheintal ebenfalls wichtig, um auch Positionen mit diesem Hintergrund besetzen zu können.