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Gekaufte Schweiz ?

Wie unsere Demokratie durch Staatspropaganda manipuliert wird Gekaufte Schweiz ?

Dr. Kurt Weigelt

Heute beeinflussen unsere Regierungen mit geballter PR-Macht die politische Willens­bildung in ihrem Sinn. Heerscharen von Kommunikationsbeauftragten in den öffentlichen Verwaltungen erklären uns, wie die Welt funktioniert und was gut und was schlecht ist. Doch auch taktische Tricks sollen die gewünschten Abstimmungsresultate herbeiführen. Ein Beispiel dafür war die Abstimmung zur Billag-Mediensteuer vom letzten Juni: ­Mit tieferen Gebühren lockte man die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Die Zeche zahlen die Unternehmen.

Bekanntlich gibt es nicht viel Neues unter der Sonne. Dies gilt auch für politische Themen. Dazu gehört die Frage nach der Käuflichkeit von Wahlen und Abstimmungen. «Gebt mir eine Million, und ich mache aus jedem Kartoffelsack einen Bundesrat.» Dieser legendäre Satz wird Rudolf Farner zugeschrieben, dem Gründer der gleichnamigen PR-Agentur. Oswald Sigg, der ehemalige Sprecher des Bundesrates und Vizekanzler der Eidgenossenschaft, publizierte vor wenigen Jahren gemeinsam mit dem Journalisten Viktor Parma eine Streitschrift, in der sie vor der käuflichen Schweiz warnen. Und selbstverständlich weiss die linke Nationalrätin Badran als profes­sionelle Besserwisserin, dass die tolle Erbschaftssteuer­initiative einzig an der materiellen Überlegenheit der Gegner gescheitert ist. Bereits vergessen ist beispielsweise die Minderinitiative, die sich gegen das grosse Kampagnenbudget von economiesuisse durchsetzte. In einer langfristigen Betrachtungsweise zeigt sich, dass das Schweizer Stimmvolk nicht käuflich ist. Dies heisst keinesfalls, dass Geld in der Politik keine Rolle spielt. Insbesondere bei sehr knappen Resultaten kann der Mittel­einsatz mitentscheidend für das Resultat sein. Allerdings ist dies nur ein Faktor unter vielen. Nicht weniger entscheidend sind die Qualität der Kampagne, die Glaubwürdigkeit und die persönliche Einsatzbereitschaft der Exponenten einer Vorlage, die Haltung der nationalen Medien und das aktuelle politische Umfeld. Bei Wahlen und Abstimmungen funktioniert der politische Wett­bewerb. Ganz anders sieht es im vorparlamentarischen Verfahren aus.

Staatliche PR-Walze

Wenn sich ausgerechnet der ehemalige Sprecher des Bundesrates über neoliberale Meinungsmacher beklagt, dann unterschlägt dieser die geballte PR-Macht, mit der heute Verwaltungen und Regierungen die politische Willens­bildung in ihrem Sinne beeinflussen. Alleine der Bund investierte im Jahre 2014 80,5 Millionen Franken in Presse­arbeit, eigene Zeitschriften und Aufklärungskampagnen. Nicht weniger als 308 Vollzeitbeamte erklären Herrn und Frau Schweizer, wie die Welt funktioniert, was wir anders machen müssen und wie gute Menschen aussehen. Ergänzt wird die Staatspropaganda durch Amtsstellen wie das Gleichstellungsbüro, die in erster Linie Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Nur, damit ist noch nicht genug. Ergänzt wird dies alles durch externe Beratungsunternehmen, die im Auftrag der öffentlichen Hand den Boden für künftige politische Weichenstellungen vorbereiten. So auch im Kanton St.Gallen: Die St.Galler Spitalvorlage wurde noch vor den Diskussionen im Kantonsrat mit einer PR-Kampagne mit Kosten von 248 000 Franken lanciert. Dabei liegt die eigentliche Problematik nicht alleine in der Tatsache, dass die Regierung versuchte, die Diskussionen im Kantonsrat mit staatlich finanzierten PR-Massnahmen zu beeinflussen. Noch nachdenklicher stimmt die Selbstverständlichkeit, mit der die Parteien und unsere Medien dies akzeptieren. Offensichtlich hat man schon längst resigniert oder ist selbst Teil des Systems. Verglichen mit den Möglichkeiten der staatlichen PR-Walze spielen die pri­vaten Akteure in der Amateurliga und können höchstens punktuell mit dem Staatsapparat mithalten.

Abstimmungstaktische Trickkiste

Mit der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit sind die Möglichkeiten des politischen Marketings von Regierung und Verwaltung noch längst nicht ausgeschöpft. Dies zeigte beispielhaft die Vorlage zur Finanzierung der öffentlichen Radio- und Fernsehprogramme, welche im Juni zur Abstimmung kam. Es gibt gute Gründe, das geräteabhängige Bezahlsystem in Zeiten von Smartphones und Tablets durch eine Mediensteuer zu ersetzen. Dieser Systemwechsel hat allerdings aus Sicht der Behörden einen entscheidenden Haken: Der Bund darf keine Steuer erheben, die nicht ausdrücklich in der Verfassung vorgesehen ist. Und so griff man zur abstimmungstaktischen Trickkiste, machte aus der Mediensteuer eine Abgabe und versüsste diese mit tieferen Preisen für die Stimmberechtigten. Zur Kasse gebeten werden dagegen die Unternehmen. Das Buebetrickli, eine Mehrheit des Stimmvolkes mit finanziellen Vorteilen zu bedienen und gleichzeitig bei Minderheiten abzukassieren, hat im Falle der Mediensteuer ganz knapp funktioniert – dies im Gegensatz zur Erbschaftssteuer­initiative. Auch hier bediente man sich ohne jede Scham in der Trickkiste und verknüpfte das Anliegen einer Erbschaftssteuer mit populistischen Ausnahmebestimmungen für Personen mit einem Vermögen von weniger als zwei Millionen Franken, Privilegien für die Landwirtschaft und nebulösen Ausnahmebestimmungen für die Geschäftsnachfolge. Gleichzeitig versuchte man, mit der Anbindung an die AHV ältere Personen mit ins Boot zu nehmen. Im Gegensatz zur Mediensteuer haben die taktischen Versprechen im Falle der Erbschaftssteuer nicht verfangen. Das Volk lässt sich nicht nur nicht kaufen, es lässt sich auch nicht für dumm verkaufen.

Mehr Respekt

Noch vor dreissig Jahren erschien vielen politischen Beobachtern die Macht der Verbände als Bedrohung der demokratischen Willensbildung. Dies ist längst Vergangenheit. Verglichen mit der Verwaltung und ihren unzähligen Experten sind unsere Verbandssekretariate Kleinstunternehmen. In der Mediengesellschaft des 21. Jahrhunderts sind es nicht private Akteure, sondern staatliche Organe, die mit ihren unbegrenzten Ressourcen insbesondere im vorparlamentarischen Verfahren die demokratische Willensbildung zu ersticken drohen. Diese Fehlentwicklung muss gestoppt werden. Dies allerdings nicht durch neue Regulierungen und noch mehr Bürokratie. Vielmehr braucht es Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die unabhängig von der öffentlichen Verwaltung und vor allem von staatlichen Geldern funktionieren. Bekanntlich beisst niemand die Hand, die ihn füttert. Dies gilt ganz besonders für unsere National- und Ständeräte. Gleichzeitig sind wir auf Verwaltungen und Regierungen angewiesen, die zwischen gesetzgebender und ausführender Funk­tion unterscheiden können – und den Parlamenten und insbesondere dem Volk mit dem notwendigen Respekt begegnen, und dies nicht nur unmittelbar vor Abstimmun­gen, sondern auch in der vorparlamentarischen Phase und im Vollzug von Gesetzen und Verordnungen.