Schriftenreihe Arbeitsmigration

Ist Zuwanderung ein Minusgeschäft für den Staat?

Zahlen Arbeitsmigranten mehr in die Schweizer Staatskasse ein, als sie beziehen?

6. März 2025

Migration und Staatskasse – ein Plus- oder Minusgeschäft? Die Schweiz erzielt laut Studien das beste fiskalische Ergebnis unter den OECD-Ländern. Doch wie belastbar sind diese Zahlen wirklich? Und welche Rolle spielen Aufenthaltsdauer, Herkunft und Qualifikation der Zugewanderten? Eine detaillierte Analyse bringt Licht ins Dunkel.

Die Wohnbevölkerung der Schweiz wächst, mitunter getrieben durch die arbeitsmarktorientierte Zuwanderung aus EU- und EFTA-Staaten. Diese Immigration hat seit den 1950er-Jahren erheblich zur wirtschaftlichen Leistungskraft und zum Wohlstand der Schweiz beigetragen. Zugewanderte ergänzen das einheimische Arbeitskräfteangebot, fördern Produktivität und Innovationen und dadurch das Wirtschaftswachstum.

Diesen Wohlstandsgewinn «geniesst» die breite Bevölkerung in Form von höheren Löhnen und mehr Freizeit – er hat also auch direkten Einfluss auf das Wohlbefinden. Das Bevölkerungswachstum bringt aber auch Herausforderungen mit sich: Wohnraum wird knapp, Verkehrsinfrastrukturen sind belastet, die Sozialausgaben steigen.

Die Frage, ob die Herausforderungen der Zuwanderung deren Nutzen übersteigen, ist berechtigt, aber nicht eindeutig zu beantworten. Kosten und Nutzen vollständig zu analysieren, ist unmöglich. Zu vielschichtig sind die Effekte der Zuwanderung. Während es für einige Bereiche solide Daten gibt, ist die Faktenlage in anderen unzureichend. Fiskalbilanzen versuchen eine Annäherung.

Wie lässt sich der «Nutzen» der Migration für den Staat messen?

Eine Fiskalbilanz erfasst alle finanziellen Ströme zwischen Migranten und dem Staat. Zahlen Migranten mehr Steuern und Abgaben¹, als sie staatliche Leistungen erhalten², entsteht eine positive Fiskalbilanz – der Staat und seine Bürger profitieren. Bei einer negativen Bilanz beziehen die Zugewanderten mehr Leistungen, als sie einzahlen.

Was sagen bisherige Studien zur Fiskalbilanz der Migration aus?

Zwischen 2007 und 2009 zahlten Migranten in der Schweiz jährlich 14’500 Euro mehr in die Staatskassen, als sie daraus bezogen. Damit erzielt die Schweiz das beste fiskalische Ergebnis unter den OECD-Ländern³. Die aktuellste Fiskalbilanz für die Schweiz aus 2017 analysiert den Zeitraum von 2003–2009. Sie zeigt, dass die meisten Zuwandererhaushalte der Schweiz Geld einbringen: Ein durchschnittlicher Zuwandererhaushalt bringt der Schweiz langfristig einen kumulierten, diskontierten Fiskalüberschuss von rund 23’000 Franken.

Wie ist das Bevölkerungswachstum im historischen Vergleich?

Die Wirkung auf die Staatskasse hängt jedoch stark von den Eigenschaften und der Aufenthaltsdauer der Zugewanderten ab. Einwandererhaushalte aus dem EFTA- und nördlichen EU-Raum leisten mit bis zu 120’000 Franken pro Haushalt den höchsten fiskalischen Beitrag. Haushalte aus dem restlichen Europa belasten die Fiskalbilanz eher, aufgrund sozialer Unterstützungsleistungen, teilweise auch bedingt durch Flüchtlingshintergründe. Im Allgemeinen gilt: Je jünger und qualifizierter die Zugewanderten, desto positiver fällt ihre Fiskalbilanz aus. Diese Beschreibung trifft in der Schweiz für viele Einwanderer aus dem EU- und EFTA-Raum zu.

Studienautor Sheldon bilanziert: «Die meisten Zuwandererhaushalte bringen der Schweiz Geld, zum Teil sogar ziemlich viel.»⁴ Zugewanderte, die bis ins Rentenalter in der Schweiz bleiben, kosten grundsätzlich mehr, da kostenintensive Renten- und Gesundheitsleistungen erst im höheren Alter anfallen. Neuere Daten zur Verweildauer von Zugewanderten zeigen, dass Personen mit sehr geringem Einkommen oft gleich im ersten Jahr nach der Einreise die Schweiz wieder verlassen. Aber auch Hochqualifizierte sind vergleichsweise mobil.⁵ Folglich verlassen sowohl Migrantengruppen mit dem höchsten Sozialhilferisiko als auch jene, die überdurchschnittlich viele Steuern zahlen, die Schweiz tendenziell schneller. Die genauen negativen bzw. positiven Auswirkungen auf die Fiskalbilanz müssten in einer aktualisierten Berechnung geprüft werden, dürften sich jedoch weitgehend ausgleichen.

Die gesamte Analyse, detaillierte Resultate unserer Mitgliederumfrage und die umfassende Position der IHK St.Gallen-Appenzell finden sie in unserer Schriftenreihe:

Die Position der IHK St.Gallen-Appenzell im Thema Arbeitsmigration

Die Personenfreizügigkeit mit der EU aufrechterhalten
Ohne ausländische Arbeitskräfte geht es nicht. Heute nicht und schon gar nicht in der Zukunft. Die Personenfreizügigkeit mit der EU stellt dabei eine unbürokratische, arbeitsmarktorientierte Zuwanderung sicher. Das ist ein entscheidender Vorteil für die Ostschweizer Wirtschaft: Wer über die Personenfreizügigkeit in die Schweiz kommt, braucht hier eine Stelle oder ausreichend Mittel, um sich selbst zu finanzieren.

Den inländischen Arbeitsmarkt stärken
Die Schweiz ist als Arbeitsland attraktiv. Das soll auch so bleiben. Arbeitskräfte werden rar, nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa. Umso wichtiger werden eine hohe Arbeitsmarktbeteiligung und eine produktive Wirtschaft. Dafür muss sich Arbeit lohnen – hohe Pensen dürfen kein steuerlicher Nachteil sein. Flexible Arbeitsmodelle, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine bessere Integration von älteren Personen in den Arbeitsmarkt können diesen zusätzlich stärken.

Die gesellschaftlichen Herausforderungen angehen – rasch und gezielt
Knapper Wohnraum und überlastete Verkehrsinfrastruktur sind grosse Herausforderungen unserer Zeit. Die Zuwanderung verschärft solche Herausforderungen, sie ist aber nicht deren einziger Treiber. Deshalb kann eine Einschränkung der Zuwanderung auch nicht die einzige Lösung sein. Stattdessen braucht es eine breite Palette an Massnahmen, um Wohnraum und Mobilität fit für die Zukunft zu machen.

Wie belastbar sind Fiskalbilanzen?

Fiskalbilanzen erfassen nicht alle Effekte der Zuwanderung präzise. Aufgrund der Komplexität und Vielfalt der Einflüsse bleiben Wirkungskanäle unberücksichtigt. Besonders wirtschaftliche Beiträge wie Know-how und Qualifikationen, die langfristig das Wachstum fördern könnten, werden auf der Nutzenseite oft ausgelassen. Zudem werden mögliche Rentenansprüche von Zurückgewanderten und steigende Infrastrukturkosten durch das Bevölkerungswachstum häufig unzureichend einbezogen, was die Kostenseite zu positiv erscheinen lassen könnte.⁶/

Literatur