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Das Gesetz der Bürokratie

60 Jahre Parkinsons Gesetz Das Gesetz der Bürokratie

Robert Stadler, stv. Direktor / Leiter Kommunikation IHK

Nichts ist beständiger als die wuchernde Bürokratie. Das wusste schon der britische Soziologe Cyril Northcote Parkinson, der vor 60 Jahren ein Buch voll trockenem Humor veröffentlichte: «Parkinsons Gesetz» zeigt auf, weshalb Verwaltungen ausweichlich wachsen müssen. Anhand von Beispielen und Statistiken wies er nach, dass zwischen einem bestimmten Arbeitspensum und der Anzahl damit beschäftigter Personen kaum ein Zusammenhang besteht. Je mehr Zeit für eine bestimmte Aufgabe vorhanden ist, desto länger braucht man auch dafür.

Der öffentliche Sektor wächst in der Schweiz überdurchschnittlich – eine Tatsache, die wir an dieser Stelle schon öfters festgestellt haben. So stieg die Beschäftigung in den öffentlichen Verwaltungen in den letzten 25 Jahren um 33 Prozent. Zählt man das Gesundheits- und Sozialwesen sowie Bildung und Erziehung dazu, betrug die Zunahme des öffentlichen Sektors sogar 65 Prozent. In der gleichen Zeit wuchs die Gesamtbeschäftigung allerdings lediglich um 12 Prozent. Eine beunruhigende Tatsache.

Weniger Kriegsschiffe, mehr Beamte

Da ist auch wenig tröstlich, dass diese Entwicklung keine neue Zeiterscheinung darstellt. Nichts ist beständiger als die wuchernde Bürokratie in Verwaltungen und Konzernen. Zu diesem Schluss kam schon der britische Soziologe Cyril Northcote Parkinson, als er nach dem Zweiten Weltkrieg bei der englischen Marine eine paradoxe Feststellung machte: Zwischen 1914 und 1928 stieg die Zahl der Beamten in der Admiralität um fast 80 Prozent. Gleichzeitig nahm aber die zu bewältigende Arbeit deutlich ab, da zwei Drittel weniger Schlachtschiffe und ein Drittel weniger Seeoffiziere und Matrosen im Einsatz waren. Ähnliche Entwicklungen stellte er beim Kolonialministerium fest. Obwohl immer mehr britische Kolonien Selbstverwaltungen einrichteten und das ehemalige Weltreich schrumpfte, wuchs die Zentralverwaltung an. Anhand solcher Beispiele wies Parkinson nach, dass Beamtenapparate stetig wachsen, selbst wenn es immer weniger zu tun gibt.
Er goss seine Beobachtungen in mehrere einprägsame Gesetze und Leitsätze und veröffentlichte diese im vor 60 Jahren erstmals auf Deutsch erschienenen Buch «Parkinsons Gesetz». Das zentrale Gesetz darin lautet:

Arbeit lässt sich wie Gummi dehnen, um die Zeit auszufüllen, die für sie zur Verfügung steht.

Als Beispiel führt er eine alte Dame ins Feld, die einen ganzen Tag dafür aufwenden kann, eine einzige Postkarte zu verschicken. Bei ihr vergehen die Stunden wie im Flug – mit der Suche nach einer geeigneten Postkarte, dem Texten der Karte, der Suche nach der Postadresse und einer Briefmarke mit der richtigen Frankatur, dem Anziehen der passenden Kleidung und letztlich dem Einwerfen der Karte im Briefkasten. Während die alte Dame mehrere Stunden investiert, beschränken sich andere auf das Wesentliche und wenden für die gleiche Tätigkeit nur wenige Minuten auf.

Wundersame Arbeitsvermehrung

Dieses Beispiel lässt sich auf jede andere Tätigkeit und ganz besonders auf Büroarbeit anwenden. Zwischen einem bestimmten Arbeitspensum und der Anzahl Personen, die dieses Pensum bewältigen sollen, besteht nur eine geringe oder sogar gar keine Beziehung. Es ist auch gar nicht so, dass die eigentlich unterbeschäftigten Mitarbeitenden die Beine hochlagern würden. In den allermeisten Fällen geben sie tatsächlich vollen Einsatz. Entweder wenden sie für ihre Arbeit eine Perfektion an, die nicht nötig wäre, oder erledigen Arbeit, die kaum jemandem etwas nützt. Wer ehrlich ist, erkennt das wohl auch aus dem eigenen Alltag. Die Triebfedern seines Gesetzes fasste Parkinson in zwei Lehrsätzen zusammen. Der erste bezieht sich darauf, dass die Zahl der Unterstellten in bürokratischen Strukturen ein Ausdruck der Bedeutung einer Führungsperson ist:

Jeder Beamte oder Angestellte wünscht die Zahl seiner Untergebenen, nicht aber die Zahl seiner Rivalen zu vergrössern.

Wenn sich Person A überarbeitet fühlt, kann er erstens den Dienst quittieren, zweitens sich seine Arbeit mit einer Person B teilen oder drittens die Arbeit an zwei Untergebene C und D delegieren. Mit grösster Wahrscheinlichkeit wird sich Person A für die dritte Variante entscheiden, weil so sein Einfluss steigt. Das Arbeitspensum ist zwar noch gleich wie bisher, aber es arbeiten nun mehr Personen daran. Das wiederum führt zum zweiten Lehrsatz:

Beamte oder Angestellte schaffen sich gegenseitig Arbeit.

Da nun mehr Mitarbeitende für das Gleiche zur Verfügung stehen, müssen die Akten auch alle Schreibtische passieren. Soll ein Brief geschrieben werden, verfasst C einen ersten Entwurf und reicht diesen an D, der sich zuerst in die Materie einlesen muss, für Ergänzungen weiter. Dann wird der Brief an A zur Kontrolle vorgelegt. Dieser ist aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden und schreibt den Brief teilweise neu. C verpasst dem Schreiben noch den Feinschliff und D liest den Brief noch Korrektur – schliesslich befolgt man das Vier-Augen-Prinzip. Nach mehreren Arbeitsgängen unterzeichnet A den Brief dann endlich. Einen Brief, wie er ihn selbst geschrieben hätte – nur in einem Bruchteil der Zeit.

Ineffiziente Sitzungen und andere Gesetze

Parkinson widmete sich noch anderen interessanten Fragen, zum Beispiel dem Ablauf von Sitzungen. Hierzu formulierte er folgendes Gesetz: «Die auf einen Tagesordnungspunkt verwendete Zeit ist umgekehrt proportional zu den jeweiligen Kosten.» Gemäss Parkinson werden die einfachsten Themen am ausführlichsten diskutiert, weil die meisten Sitzungsteilnehmer sich einbringen können. Komplexe Traktanden mit grosser Tragweite hingegen werden schnell abgehandelt, was zu verheerenden Fehlentscheidungen führen könne. Dies nur eines der weiteren Gesetze, die der britische Soziologe «entdeckte».
Eines ist klar: Auch nach 60 Jahren ist Cyril Northcote Parkinson mit seinem trockenen britischen Humor nicht nur witzig zu lesen, sondern bietet nach wie vor interessante Erkenntnisse, die sich mit der eigenen Erfahrung überprüfen lassen.

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