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Berlinger Gruppe: Neue Chancen in der Krise

Transformation – Von der Weberei zum Hersteller von Dopingkontrollsystemen Berlinger Gruppe: Neue Chancen in der Krise

Robert Stadler, Leiter Kommunikation / stv. Direktor IHK

An der Berlinger Gruppe lässt sich der wirtschaftliche Strukturwandel der vergangenen Jahrzehnte exemplarisch aufzeigen. Seit seiner Gründung 1865 erfand sich das Toggenburger Familienunternehmen immer wieder neu. Ursprünglich als mechanische Baumwollweberei ein klassisches Textil­unternehmen, entwickelte sich die Berlinger Gruppe zur Technologiefirma, die ihre Produkte mittlerweile in über 150 Länder exportiert.

«Mit einer über 100-jährigen Textiltradition hat es das Unternehmen geschafft, sich aus eigener Kraft völlig neu zu erfinden», hiess es im Frühling bei der Verleihung des Prix SVC Ostschweiz. Ausgezeichnet wurde die Berlinger Gruppe unter der Leitung von Andrea Berlinger Schwyter und ihrem Mann Daniel Schwyter-Berlinger. Das global tätige Familienunternehmen aus Ganterschwil ist ein perfektes Beispiel für einen erfolgreichen Transformationsprozess. Das Unternehmen begann 1865 als mechanische Baumwollweberei. Heute produziert und vertreibt es Temperaturüberwachungssysteme, Softwarelösungen und sichere Verschlusssysteme, die bei Dopingkontrollen zum Einsatz kommen.

Innovativ bleiben

Auf dem Weg dorthin musste die Berlinger Gruppe immer wieder ihr Geschäftsmodell überdenken. Ein erstes Mal 1902, als die Weberei vollständig niederbrannte. Nach dem verheerenden Feuer gelang es der Familie Berlinger, in der Buchbindereibranche Fuss zu fassen. In den 50er-Jahren erfand der Grossvater der heutigen Chefin ein Schrägband zur Herstellung von Miederware und etwas später begann man mit Klettenhaftverschlüssen zu handeln. Als sich die Textilwirtschaft in den 1970er-Jahren in einer erneuten Krise befand, stieg das Unternehmen – dann unter Jürg Berlinger aus der fünften Generation – in die Welt der Temperaturüberwachung mittels Chemieindikatoren ein. 1994 wurde ein Sicherheitsverschluss für Urin- und Blutproben von Spitzensportlern erfunden. Der Transformationsprozess verlief dabei nicht schlagartig, sondern führte durch die stetige Entwicklung und Anpassung an neue Herausforderungen der Kundschaft Stück für Stück in die neue Ausrichtung. «Der grösste Einzelentscheid in finanzieller wie auch richtungsweisender Hinsicht war sicher die erste eigene Produktion von elektronischen Indikatoren», sagt Andrea Berlinger Schwyter, die das Unternehmen in der sechsten Generation führt. Damit sei 1999 der Grundstein für die elektronische Temperaturüberwachungsabteilung gelegt worden – eine Sparte, die heute rund 60 % des Umsatzes ausmacht.

Kein Wandel ohne gutes Team

«Wir befanden uns Ende der 90er-Jahre in einem grossen Umbruch», erinnert sie sich. Die Textilindustrie war am Boden, für Schweizer Handelsgesellschaften gab es aufgrund der Globalisierung immer weniger Platz. «Auf der anderen Seite hatten wir Kunden mit dem Bedürfnis, einerseits aus dem damaligen Handelsprodukt von chemischen Temperaturindikatoren mehr zu machen und andererseits mit einem Eigenprodukt, den Dopingkontrollflaschen, vom nationalen in den internationalen Markt vorzustossen.» Andrea Berlinger Schwyter betont dabei die Bedeutung des ganzen Teams, das mit viel Einsatz, Leidenschaft und unermüdlichem Willen bei der Sache sei. Für sie ist denn auch klar, dass eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Transformationsprozess ein fachlich kompetentes Team ist, das gegenüber dem Wandel offen sei und Freude habe, kreativ mitzugestalten.