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«Keiner will Botschaft überbringen»

IHK-Vizepräsident und Bühler-Personalchef Christof Oswald im Interview «Keiner will Botschaft überbringen»

Robert Stadler

Als Stiftungsratspräsident der Pensionskasse von Bühler Uzwil hat Christof Oswald ein neues Rentenmodell für das Industrieunternehmen eingeführt. Entsprechend stark beschäftigen den Personalchef ­Fragen rund um die Altersvorsorge. So ist es ihm ein grosses Anliegen, der jungen Generation positive Perspektiven bieten zu können. Im ­Interview fordert er von der Politik schnell Reformen, welche die bekannten Herausforderungen nachhaltig anpacken.

Die Politik tut sich schwer mit der Altersvorsorge: Reformen finden kaum Mehrheiten, es bleiben höchstens Reförmchen übrig. Weshalb schafft es die Politik kaum, Anpassungen durchzubringen?

Christof Oswald: Wir sind uns alle einig, dass wir Veränderungen vornehmen müssen. Veränderungen heissen: weniger Garantien und mehr Eigenverantwortung. Keiner will diese Botschaft in aller Deutlichkeit überbringen, selbst wenn die Einsicht unter vier Augen vorhanden ist. In diesem Thema muss schnell, über die Parteigrenzen hin­aus, eine verständliche und transparente Lösung gefunden werden. Es ist für den Bürger sehr schwierig, sich mit unserem komplizierten Rentensystem und den Prognosen für die Zukunft ein objektives Bild zu verschaffen. Aufgrund dieser Komplexität beginnen viele, sich erst mit über 50 Jahren für das Thema zu interessieren. Zudem lassen sie sich emotional beeinflussen. Wenn wir bis 2020 keine Lösung finden, dann werden die Rentenversprechen von der kommenden Generation immer schwieriger finanzierbar. Es ist mir ein grosses Anliegen, der jungen Generation positive Perspektiven zu schaffen.

Sie haben im Unternehmen eine Reform zustandegebracht. Als Stiftungsratspräsident der Pensionskasse von Bühler Uzwil haben Sie ein neues Rentenmodell eingeführt. Weshalb?

Für einen attraktiven Arbeitgeber ist auch eine attraktive Pensionskasse von grosser Bedeutung. Es ist aber auch allen Versicherten klar, dass man aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre und mit den heutigen Zukunftsaussichten nur versprechen darf, was auch finanziert werden kann. Wir wussten, dass es so nicht weitergehen kann und von der politischen Seite in absehbarer Zeit keine innovativen Lösungen zu erwarten sind.

Wie sieht das Bühler-Modell aus?

Das Bühler-Rentensystem ist ein neues, variables Rentensystem. Da die Umwandlungssätze verschiedener Pensionskassen schwer vergleichbar sind, spreche ich vom technischen Zinssatz. Diesen werden wir per 31.12.2016 auf 2 % gesenkt haben. Darauf basiert in jedem Fall das Rentenversprechen. Wenn sich die Kapitalmärkte in den nächsten Jahren wieder verbessern und eine höhere Performance erreicht werden kann, dann haben wir auch die Grundlagen definiert, um einen variablen Teil als Zusatzrente auszubezahlen. Gleichzeitig werden sich in einem solchen Fall auch die Lebenskosten für die Rentner erhöhen. Somit ist das System im Gleichgewicht, was heute in keiner Art und Weise der Fall ist. Sie sehen es am Beispiel der Hypotheken, einer wichtigen Einnahmequelle der Pensionskassen. Die Renten sind immer noch gleich hoch, obwohl sich die Hypothekarkosten für die Rentner deutlich gesenkt haben. Das bedeutet, dass das in Immobilien angelegte Kapital der Rentner nicht mehr die gleiche Rendite ergibt, obwohl die Rente in der ursprünglichen Höhe erhalten bleibt.

Wie gelang dieser Wechsel?

Für einen Systemwechsel sind Fairness, Transparenz und Vertrauen die wichtigsten Eckpfeiler für den Erfolg. Innovative und konstruktive Pläne sind wichtiger als polemische Sprüche und sture Besitzstandswahrung. Ohne den Beitrag des Arbeitgebers, der Aktiven und der zukünftigen Rentner wird sich wenig bewegen. Folgende drei Hauptpunkte sind in der Umstellung bei Bühler wichtig zu wissen:

Erstens hat das Unternehmen Bühler die Senkung des technischen Zinssatzes auf 2 % finanziert. Die Übergangsregelung dauert vier Jahre und ist am 31.12.2016 abgeschlossen.

Zum Zweiten übernimmt das Unternehmen das Risiko für das Rentenversprechen aller bis zum 31.12.2016 pensionierten Mitarbeitenden. Sollte die Rendite in der virtuellen Rentnerkasse auf der neuen Basis nicht ausreichen, so wird dafür das Unternehmen aufkommen. Ohne diese Garantie würde das neue System bezüglich variabler Rente in schwierigen Zeiten ungenügend funktionieren.

Und schliesslich drittens reduziert sich aus Arbeitnehmersicht das zukünftige garantierte Rentenversprechen ab 1.1.2017 um rund 12 %.

Die Pensionskassen der öffentlichen Hand sind politisches Dauerthema. Im Kanton St. Gallen beantragte die Regierung, 200 Millionen Franken in die Pensionskasse des Staatspersonals einzuschiessen. Dies, nachdem die Steuerzahler bereits vor drei Jahren fast 300 Millionen für die Verselbständigung und Sanierung der Staats-PK bezahlt haben. Die Finanzkommission hat das Geschäft aufgrund offener Fragen vorerst sistiert. Ihre Meinung dazu?

Hier hatte die Finanzkommission sicher das Ohr nahe beim Volk. Es fehlt an Transparenz und am Glauben, mit diesen 200 Millionen Franken das Problem nachhaltig zu lösen. Die Mitarbeitenden der Privatwirtschaft sind aus meiner Sicht nicht mehr grenzenlos bereit, zusätzlich zu den finanziellen Konsequenzen in ihrer eigenen Altersvorsorge über Steuergelder in ein Fass ohne Boden zu investieren. Es muss zuerst eine umfassende, neue und nachhaltige Lösung entwickelt und kommuniziert werden.

Wie unterschiedlich lösen die öffentliche Hand und die Privatwirtschaft die Fragen der Altersvorsorge aus Ihrer Sicht?

Unternehmen sind gezwungen, schnellstmöglich Lösungen zu erarbeiten. Es ist die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit und die Attraktivität als Arbeitgeber, die eine schnelle Lösung verlangen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen gemeinsam einen gangbaren Weg finden. Die Kunden sind nicht bereit, jeden Preis zu bezahlen.

Besonders internationale Unternehmen müssen schnell neue Wege gehen. Die Belastungen der Schweizer Pensionskassenverpflichtungen in der internationalen Rechnungslegung sind gross. Dafür wird in vielen, teilweise nicht schweizerisch geführten Unternehmen wenig Verständnis aufgebracht. Hier werden grosse Veränderungen bezüglich Leistungsversprechen und Risiko auf uns zukommen.

Blenden wir zur nationalen Politik: Die grosse Reform «Altersvorsorge 2020» steckt in der parlamentarischen Beratung. Die Vorlage wird in der Herbstsession im Nationalrat behandelt. Wie stehen Sie zu dieser Reform?

Der Generationenvertrag soll in einer ausgewogenen Art weiterentwickelt werden, denn die demografischen Herausforderungen sind gross und die Finanzmarktaussichten auf tiefem Niveau sehr volatil. Die Politik muss schnell einen Konsens für eine zukünftig tragbare Lösung finden. Ich unterstütze die Reform, bin aber der Meinung, dass diese weitergehen müsste. Hier gilt jedoch, dass eine schnell greifende 80 %-Lösung besser ist als eine lang diskutierte perfekte Lösung, die zu spät in die Umsetzung kommt.