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«Die europäischen Märkte sind für uns existenziell wichtig»

ALUWAG-CEO René Wagner «Die europäischen Märkte sind für uns existenziell wichtig»

Robert Stadler, stv. IHK-Direktor

In den zehn Jahren, seit ALUWAG-CEO René Wagner das Unternehmen führt, erlebte er immer wieder deutliche Nachfrageschwankungen aufgrund exogener Faktoren wie die Finanz- und Eurokrise oder die dramatische Aufwertung des Schweizer Frankens. Die verstärkte Deindustrialisierung macht ihm grosse Sorgen. Denn auf die Abwanderung der Fertigungsprozesse könnte auch die Entwicklung folgen und den Technologiestandort Schweiz langfristig schwächen.

Die ALUWAG AG bietet Lösungen rund um AluminiumDruckguss für die Bereiche Mobilität und Leichtbau an. Ganz allgemein: Wie zufrieden sind Sie mit dem Geschäftsgang?

René Wagner: Wir sind ganz gut unterwegs, wir werden in diesem Jahr ein schönes Wachstum erzielen und planen auch 2019 mit einem Umsatzwachstum. Wir profitieren von der allgemein guten Konjunktur, aber vor allem auch von der positiven Entwicklung bei den Megatrends Leichtbau und Elektrifizierung. Unsere strategische Ausrichtung passt.

Wie gross ist bei Ihnen der Exportanteil und für welche Märkte produzieren Sie? Wie gross ist die Bedeutung des Euroraumes für die ALUWAG und was bedeutet das für Sie?

Wir exportieren rund 90% unserer Produkte nach Europa. Dabei ist Deutschland klar unser Hauptmarkt. Wir beliefern zu rund 80% die Automobilindustrie (Nutzfahrzeuge, PKW, ÖV) und die restlichen rund 20% setzen wir in industriellen Anwendungen ab. Die europäischen Märkte sind für uns existenziell wichtig.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 führte zu einem starken Einbruch bei den Exporten. Das war rund zwei Jahre, nachdem Sie den CEO-Posten im Familienunternehmen übernommen hatten. Wie erlebten Sie diese ersten Jahre?

Sagen wir es so: Wir hatten nicht gerade einen ruhigen Start. Die ersten Jahre mussten wir zur Befriedigung der Nachfrage auf 4 Schichten mit 7 x 24h Betrieb aufstocken, dann brachen im November 2008 innerhalb von zwei Wochen rund 50% der Bestellungen weg. 2009 mussten wir dann wiederum im gleichen Umfang wachsen, da sich die Branchen schnell und hochdynamisch erholten. Dabei fuhren wir auf Sicht, ohne langfristigen Planungshorizont. Ab 2010 folgte die dramatische Aufwertung des Schweizer Frankens, die uns nochmals vor grosse Herausforderung stellte.

Mit der stetigen Aufwertung des Schweizer Frankens und der Aufgabe des Mindestkurses im Jahr 2015 blieben die Herausforderungen gross. Wie gelang es der ALUWAG, sich auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen?

Die Eurokrise hat auch uns getroffen, wiederum ein exogen verursachter Effekt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war die schnelle Reaktion auf die neue Situation. Wichtig dabei war, dass die Massnahmen trotz des Zeitdrucks nachhaltig waren und unserer Strategie entsprochen haben. In dieser Phase haben wir uns auf unsere Kernkompetenzen konzentriert und die mechanische Fertigung und Nachbearbeitung mit zwei langjährigen Partnern in eine «Shop-in-Shop»-Lösung umstrukturiert. Die Entwicklung der eigenen ALUWAG Sonderwerkstoffe und neuen Verarbeitungstechnologien haben wir immer aufrechterhalten und forciert. Gleichzeitig haben wir auch in die Optimierungen der bestehenden Prozesse investiert und die ganze Organisationstruktur flexibler und effizienter aufgestellt. Damit konnten wir unsere Alleinstellungsmerkmale ausbauen und die Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Wir sind gestärkt auch der Situation hervorgegangen.

Die Metallexporte der Ostschweiz legten in den letzten Jahren zu, während sie gesamtschweizerisch zurückgingen (siehe Artikel von Frank Bodmer). Wie erklären Sie sich die gute Entwicklung der Ostschweizer Metallexporte?

Ich kann nicht für die ganze Ostschweiz sprechen. Wir für unseren Teil haben die Mega­trends Elektrifizierung und Leichtbau schon frühzeitig im Fokus gehabt und waren durch unsere neuen Technologien auch gerüstet. In diesen Bereichen konnten wir grosse Projekte an Land ziehen. Dank der Automatisierung und technisch hochstehender Infrastruktur sind Projekte mit höchsten Anforderungen auch in der Schweiz wirtschaftlich herstellbar. Dies bedeutet aber auch, dass wir uns nie ausruhen dürfen und immer weiter an neuen Entwicklungen und Innovationen arbeiten müssen. Auf die Schweizer wartet heute niemand mehr.

Die deutsche Automobilbranche könnte ein Opfer der von den USA eingeführten hohen Importzölle sein. Welche möglichen Auswirkungen hat die US-Handelspolitik auf Ihr Geschäft?

Im Moment erleiden wir keine direkten Auswirkungen. Grundsätzlich ist es bedenklich, was global gerade passiert. Das einzige, was heute sicher ist, ist die Unsicherheit. Als Unternehmer heute die Geschäftsentwicklung zu planen, ist sehr schwierig geworden. Wir denken in unserem Unternehmen vor allem in Szenarien, um auf Veränderungen schnell reagieren zu können und deren mögliche Auswirkungen so genau wie möglich zu kennen. Sich taktisch geschickt zu verhalten und notwendige Massnahmen schnell umzusetzen, ist mindestens so wichtig wie die strategische Langfristplanung.

Sehen Sie in der mittleren Frist andere grosse Risiken für den Produktions­standort Schweiz?

Der Wechselkurs bleibt ein Damoklesschwert über der Exportindustrie und die Auswirkungen sind nach meinen Erkenntnissen noch nicht ausgestanden. Die daraus verstärkte Deindustrialisierung in der Schweiz macht mir grosse Sorgen. Ich denke, das ist ökonomisch etwas vom Schlimmsten, das einer Volkswirtschaft längerfristig passieren kann. Die negativen Folgen sind gravierender als von Politik, Wirtschaft und Verbänden angenommen wird. Wir tendieren immer stärker zur Akademisierung aller Berufsgattungen. Wir verringern immer mehr die Wertschöpfung der Verarbeitungsindustrie und die grosse Gefahr besteht, dass durch die Abwanderung der Fertigungsprozesse auch die Entwicklung folgt. Das schwächt den Technologiestandort Schweiz langfristig, weil mit jeder Produktionsverlagerung wertvolles Know-how abfliesst. Dazu kommt die Digitalisierung, die die Zukunft von Unternehmen und vielen Berufsbildern stark verändern wird und uns vor grosse Herausforderungen stellt. Durch die notwendige Spezialisierung wird auch der Fachkräftemangel noch weiter ansteigen. Die Rekrutierung wird schwieriger und die letzten politischen Entscheidungen erschweren die Rahmenbedingungen auch noch. Für den Produktionsstandort Schweiz muss wesentlich mehr getan werden, um global mithalten zu können. Im Moment läuft strukturell einiges in die falsche Richtung.

Was bedeutet der Trend hin zur E-Mobilität für Ihr Unternehmen? Wo sehen Sie für Ihr Unternehmen weitere mögliche Märkte?

E-Mobilität bietet ein breites Spektrum an Möglichkeiten (Hybrid, Voll-Elektro, Wasserstoff). Wir wachsen im Moment hauptsächlich im Bereich Hybrid, ergänzt mit rein elektrischen Antrieben. Dazu ergeben sich weitere Chancen in angrenzenden Bereichen wie Ladeinfrastruktur etc. Nicht vergessen darf man aber, dass auch in den nächsten Jahren die Hauptlast immer noch vom Verbrennungsmotor getragen wird. Auch in diesem Bereich bleibt die Technik nicht stehen, auch da können wir noch unseren Beitrag leisten.