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«Der Onlinehandel kennt weder Grenzen noch Öffnungszeiten»

Neuer IHK-Vizepräsident: Milo Stössel «Der Onlinehandel kennt weder Grenzen noch Öffnungszeiten»

Robert Stadler, stv. IHK-Direktor

Milo Stössel ist neuer Vizepräsident der IHK St. Gallen-Appenzell. Die Generalversammlung wählte mit dem 39-Jährigen einen vernetzten und engagierten Unternehmer. Als CEO der MS Direct Gruppe erlebt er den Strukturwandel im Einzelhandel hautnah mit und bringt wichtiges Wissen zu E-Commerce und Informatik in den IHK-Vorstand ein. Statt vom Niedergang des stationären Handels zu sprechen, möchte er lieber die Chancen der Digitalisierung betonen.

«Hoffentlich hast du keine Angst vor Hunden?», fragt Milo Stössel zur Begrüssung. Doch sein zweieinhalbjähriger Golden Retriever Mowgli legt sich an diesem heissen Sommertag ohnehin lieber gleich auf den Boden. Milo Stössels Büro ist geräumig und erinnert mit einem Porträtfoto an den Unternehmensgründer, seinen Vater Peter. Milo Stössel hat 2008, mit 29 Jahren, die operative Führung von ihm übernommen. Die MS Direct Gruppe hat sich seither stark weiterentwickelt. Stössel macht dies vor allem an zwei Gründen fest: zum einen an der steigenden Bedeutung des Onlinehandels, zum anderen an der Gründung der Tochtergesellschaft Quickmail. «Die Mitarbeiterzahl und der Umsatz haben sich in dieser Zeit fast verdoppelt.»

IT-Entwickler gesucht

Die MS Direct Gruppe ist Gesamtanbieterin für kundenbezogene Prozesse aller Art und übernimmt für verschiedene Marken deren Customer Services. Weitere Stärken der Gruppe sind Direkt- und Dialogmarketing, Logistikoutsourcing, E-Commerce oder die IT-Entwicklung von Versandsystemen. Für Letzteres sind rund 25 Entwickler beschäftigt, mehrheitlich in St. Gallen und Zürich. «Leider ist es gerade in St. Gallen schwierig, IT-Entwickler zu finden», stellt Milo Stössel mit Bedauern fest. Dies zu ändern, ist für den 39-Jährigen ein zentrales Anliegen, für das er sich auch bei der IHK einsetzen möchte.

Die Schwierigkeit, das richtige Personal zu finden, stellt er auch in anderen Bereichen fest: «Der Arbeitsmarkt ist ziemlich gesättigt, was eine äusserst positive Nachricht ist.» Durch die tiefe Zahl an Stellensuchenden sei es aber oft schwierig, offene Stellen zu besetzen. Dies gilt auch für die Bereiche Logistik oder Call Center, wo auch Arbeitskräfte mit geringerem Ausbildungsniveau ein Auskommen finden können. Insgesamt beschäftigt die Gruppe heute rund 4000 Mitarbeitende mit umgerechnet 1500 Vollzeitstellen.

Onlinehandel erhöht Tempo

IHK-Vizepräsident Milo Stössel«Es ist noch nicht lange her, da konnte man sich kaum vorstellen, was Onlineshops wie Amazon oder Zalando bewegen können», erinnert sich Milo Stössel an die Zeit, als er im Unternehmen einstieg. «In den USA wird bereits die Hälfte des gesamten Onlinehandels durch Amazon abgewickelt.» Gleichzeitig mache der Onlinehandel dort erst 10% aus. Auch wenn dieser Anteil weiter steigen wird, ist Stössel überzeugt, dass der stationäre Handel nicht ausgedient hat. Die Zukunft liege im Omni­channel. Das bedeutet, dass erfolgreiche Onlinehändler auch über stationäre Ladenlokale verfügen. «Der Onlineumsatz wird den stationären Handel überflügeln», glaubt Stössel. Dabei sei der «Distanzhandel» eigentlich gar nichts Neues. Bereits nach dem zweiten Weltkrieg entstanden Versandhäuser, bei denen man Produkte aus dem Katalog bestellte. «Der Onlinehandel hat aber eine neue Generation angesprochen und die Geschwindigkeit stark erhöht.» Dieses Tempo mitgehen zu können, sei denn auch die grosse Herausforderung für ein Unternehmen wie die MS Direct Gruppe. «Wir müssen extrem agil und schnell sein in den Prozessen, in den Systemen, aber auch in den Köpfen aller Mitarbeitenden. Der Onlinehandel kennt keine Grenzen, keine Öffnungszeiten und immer geringere Preisunterschiede.» Das führe in einem Hochpreis- und Hochlohnland unweigerlich zur Frage, was in der Schweiz langfristig angeboten werden kann. «Am Schluss zählt die Servicequalität, die weiter steigen muss. Wir müssen schneller sein, eine breitere Produktauswahl sowie bessere Kundenerlebnisse bieten. Das war schon immer die Stärke der Schweiz.»