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«Bis wann arbeite ich wohl einmal?»

Was junge Ostschweizer von der Altersvorsorge erwarten «Bis wann arbeite ich wohl einmal?»

Simon Scherrer

Speziell betroffen von Fragen rund um die Altersvorsorge ist die junge Generation. Immerhin ist sie es, die ausbleibende und in die Zukunft verschobene Reformen einmal bezahlen muss. Doch welche Meinung hat die junge Generation überhaupt zu den Finanzproblemen der Sozialwerke? Welche Erwartungen hat sie bezüglich ihrer eigenen Altersvorsorge? Eindrücke aus Gesprächen mit drei jungen Ostschweizern.

Seit die AHV letztes Jahr in die roten Zahlen gerutscht ist und sich die AHVplus-Initiative der Abstimmung nähert, widmet sich die politische Diskussion in der Schweiz wieder vermehrt dem Thema Altersvorsorge. Es besteht ein grundlegendes Finanzierungsproblem der Sozialwerke. Klar ist: Die Zukunft der Altersvorsorge wird teuer. Klar ist auch, für wen genau diese Zukunft teuer wird: für die junge Generation. Doch was meinen Vertreter dieser jungen Generation überhaupt zu den Finanzlöchern im Rentensystem, die sie einst stopfen werden müssen? Sind sie sich der Problematik überhaupt bewusst? Und wie stark beschäftigt sie die «Frage Altersvorsorge» allgemein?

Kein populäres Thema

«Die Altersvorsorge beschäftigt mich nicht sehr stark», gibt beispielsweise Andrej Hörler zu. Der 21-Jährige aus Steinegg AI studiert derzeit Bauingenieurwesen an der ETH Zürich und besuchte davor das Kollegium St. Antonius in Appenzell. Dort hätte er sich im Unterricht mit dem Thema auseinandersetzen müssen. «Als Student zahle ich aber noch fast nichts ein. Darum fehlt mir der Bezug zur Altersvorsorge», erklärt Hörler. Ähnliches erzählt Philipp Oehy, 22, aus St. Gallen. Während seiner Polymechaniker-Lehre seien das Drei-Säulen-System und seine Probleme in der Berufsschule erläutert worden. «Im Moment beschäftigt mich aber höchstens die dritte Säule, weil man diese selbst organisieren muss», so Oehy.

Ganz anders sieht das jedoch bei Kathrin Scherrer aus. Die 28-jährige Toggenburgerin, die über einen doppelten Lehrabschluss als Köchin und Bäckerin verfügt, macht sich häufig Gedanken über die Zukunft der Altersvorsorge. Besonders beschäftigt sie die Frage, was diese Zukunft konkret für sie bedeutet: «Wenn das Thema wieder einmal in den Medien kommt, frage ich mich immer, bis zu welchem Alter ich wohl einmal arbeiten werde.» Doch wie auch Andrej Hörler und Philipp Oehy gibt Kathrin Scherrer offen zu, dass Fragen zur Altersvorsorge kaum im Freundeskreis diskutiert würden.

Problembewusstsein ist da

Alle drei kennen jedoch die Probleme der Altersvorsorge durchaus. «Wenn wir alle immer älter werden, gibt es mehr Alte, die Geld aus der AHV erhalten, und immer weniger Junge, die einzahlen. Dass das nicht gehen kann, leuchtet ein», findet Andrej Hörler. Philipp Oehy kennt die Finanzprobleme der AHV zwar ebenfalls, denkt jedoch an etwas anderes, wenn er «Probleme mit der Altersvorsorge» hört: «Ich habe einmal mitbekommen, dass bei einem Bekannten der Pensionskassenwechsel nicht richtig geklappt hat, als er den Arbeitgeber gewechselt hat.» Die politischen Herausforderungen der Altersvorsorge seien im Vergleich zu solchen Dingen, die er schon unmittelbar erlebt habe, einfach viel weiter weg. «Für viele ist das Thema Ruhestand wirklich noch zu weit weg, um darüber zu diskutieren», meint auch Kathrin Scherrer. «Aber irgendwann wird man einfach darüber diskutieren und Lösungen finden müssen.»

Lösungen zu finden für die Finanzprobleme der Altersvorsorge ist denn auch eine Sache, mit der die Politik sich bis heute schwertut. Von den Handlungsoptionen, mit denen sich die AHV-Finanzen zumindest teilweise ins Lot bringen liessen, ist keine besonders populär: Sowohl die Erhöhung des Rentenalters als auch eine deutliche Erhöhung der AHV-Beiträge gelten als politisch schwierig durchsetzbar. Auch die hohe Zuwanderung, die es in den letzten Jahren erlaubte, Reformen hinauszuschieben, hat in der Bevölkerung erwiesenermassen einen schweren Stand.

Erhöhung des Rentenalters als kleinstes Übel

Auch keiner der drei Ostschweizer ist begeistert von dieser Auswahl. Darauf angesprochen, welche Option denn das kleinste Übel für sie wäre, gibt es aber zumindest von Philipp Oehy und Kathrin Scherrer eine klare Antwort. «Ich würde mich nicht darüber freuen, länger arbeiten zu müssen. Aber ich arbeite auf jeden Fall lieber ein paar Jahre länger, als während des ganzen Lebens deutlich mehr Geld abzugeben», meint beispielsweise Philipp Oehy. Kathrin Scherrer stösst ins gleiche Horn: «Bereits heute sind die Beiträge beträchtlich, die man für die AHV abgeben muss. Ich frage mich, wie das gehen soll, wenn man noch mehr abgeben müsste. Ein höheres Rentenalter könnte ich mir eher vorstellen.» Sie sei auch bereits dabei, sich damit abzufinden, dass sie vielleicht einmal bis 70 arbeiten würde.

Eher einen Kompromiss im Kopf hat Andrej Hörler: «Es kann Teil der Lösung sein, das Rentenalter zu erhöhen, aber man sollte nicht alles auf diese Karte setzen.» Ohne Erhöhung der Beiträge werde es wohl auch nicht gehen, meint er. Keine Lösung sehen aber alle drei im Ansatz, die Sozialwerke mittels mehr Zuwanderung zu sichern: Ganz abgesehen davon, dass Zuwanderung selbst gewisse Probleme mit sich bringe, sei sie keine nachhaltige Lösung für die bestehenden Probleme.

Pragmatische Jugend

Was ist also die Haltung der jungen Generation zu Problemen der Altersvorsorge? Aus den Aussagen von Andrej Hörler, Philipp Oehy und Kathrin Scherrer lässt sich jedenfalls folgendes schliessen: Die Politik darf von der jungen Generation zwar keine Reformaufrufe, aber viel Pragmatismus erwarten, etwa wenn es um die Erhöhung des Rentenalters geht. Von allen drei Befragten weiss nur Kathrin Scherrer ihr voraussichtliches Pensionsalter: Das wäre der 1. Mai 2052. «Aber wer weiss schon, was dann ist? Bis dahin fliesst noch viel Wasser die Thur hinunter», meint sie lachend. «Vielleicht wird es auch ein bisschen später. Das wäre dann auch nicht so schlimm.»