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Weichen stellen, Zukunft gestalten

Ausblick nächste Legislaturperiode Weichen stellen, Zukunft gestalten

Die nationalen Wahlen sind ein Richtungsentscheid für die Schweiz. 18 Kandidierende aus dem Kammergebiet St.Gallen-Appenzell erhalten Chance und Auftrag zugleich, die Weichen für die zukünftige Schweiz zu stellen. Nach einer krisengeplagten Legislatur ist der Handlungsbedarf gross.

Der Wille und der Ehrgeiz der Menschen in den über 600 000 Unternehmen dieses Landes sind Treiber unseres Erfolgs. Nur durch sie wird es der Schweiz gelingen, den im internationalen Vergleich ausgeprägten Wohlstand und die daraus finanzierte Wohlfahrt zu sichern. Die Unternehmenslandschaft der Kernregion Ostschweiz ist dank einem grossen Industrieanteil1 vielfältig und reagiert auf Krisen so robust wie kaum eine andere Region.

Drei dieser Krisen haben die Politik in der zu Ende gehenden Legislatur absorbiert und von der Zukunftsgestaltung abgehalten: eine Pandemie, Krieg in Europa sowie der Niedergang der Credit Suisse. Die nächste Legislatur muss daher Chance sein, die Zukunft zu gestalten. Handlungsbedarf besteht insbesondere bei der Demografie und beim Aussenhandel.

Demografie: individueller Segen, kollektive Herausforderung

Unsere Gesellschaft altert rasch und stark. Für das Schweizer Individuum ist dies ein Segen: Dank medizinischem Fortschritt und Wohlstandssteigerung steigt unsere Lebenserwartung. Parallel stagniert aber auch die Fertilitätsrate unterhalb der Reproduktionsfähigkeit. Somit sieht sich eine abnehmende Zahl von Erwerbstätigen einer steigenden Anzahl von Pensionären gegenüber, was multiple Herausforderungen mit sich bringt. Die Rahmenbedingungen für die Altersvorsorge, die Gesundheitsversorgung und den Arbeitsmarkt müssen im Einklang mit dieser unumstösslichen Entwicklung angepasst werden.

Die Altersvorsorge der arbeitenden Generation steht auf dem Spiel: Mit dem Ja zu AHV21 hat die Schweiz einen kleinen Schritt zur Sicherung der ersten Säule unternommen. Dennoch reicht dies bei Weitem nicht aus, um unser wichtigstes Sozialwerk längerfristig zu gewährleisten. Gemäss den Bundesprognosen ist das Umlageergebnis bei der AHV 2030 bereits wieder negativ. Dieses Ungleichgewicht zwischen Ein- und Auszahlungen wird sich längerfristig noch verschärfen, das finanzielle Fundament der AHV ist langfristig nicht gesichert. Eine nachhaltige Revision der Altersvorsorge ist daher unausweichlich.

Unser Gesundheitssystem leidet unter erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. 2021 verschlang es rund CHF 86 Milliarden, während das Schweizer BIP 2021 bei rund CHF 800 Milliarden lag. Sowohl für private Haushalte als auch für die staatlichen Finanzen wird das Gesundheitssystem zunehmend zur Belastung. Packen wir das Problem an der Wurzel: Das fortlaufende Wachstum der Kosten kann nicht in dieser Weise fortgesetzt werden. Einfach die Rechnung an einen anderen Adressaten zu senden ist dabei keine adäquate Lösung.

Der bereits spürbare Arbeitskräftemangel wird sich noch weiter verschärfen. Den Höhepunkt wird die Schweiz im Jahr 2029 erleben: Über 110 000 Menschen des geburtenstärksten Jahrgangs 1964 werden pensioniert. Dem stehen lediglich 73 000 junge Menschen gegenüber, die in den Arbeitsmarkt eintreten. Daraus ergibt sich eine weitere Zuspitzung im Wettbewerb um Arbeitskräfte. Pauschale Reduktionen der Arbeitszeit bei voller Gehaltskompensation, wie sie vielerorts diskutiert werden, werden diese Probleme nur noch verschärfen. Stattdessen braucht es ein zeitgemässes Arbeitsgesetz, das der Individualität und Flexibilität heutiger Arbeitsmodelle Rechnung trägt.

Schweizerische Zwillinge – Aussenhandel und Wohlstand

Der beeindruckende Schweizer Erfolg auf den Weltmärkten wird durch Exzellenz in Produktion und Dienstleistungen ermöglicht. Durch Spitzenpositionen in der Bildung und hohe Leistungsbereitschaft gelingt es der Schweiz, trotz der international rekordhohen Lohnkosten die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Dafür wird ein breit gespanntes Netz an Wirtschaftsabkommen benötigt, welches geschickt und umsichtig unterhalten und ausgebaut werden muss. Die bilateralen Verträge mit der EU sowie die EFTA-Konventionen stellen dabei die stärksten Glieder dar. Dies zeigt sich auch darin, dass 68,6 % der Importe und 49,6 % der Exporte auf die EU entfallen.

Die Schweiz hat des Weiteren ein weitgespanntes Netzwerk von 33 Freihandelsabkommen mit 43 Partnern aufgebaut. Die Sicherung und Weiterentwicklung der bestehenden Freihandelsverträge sowie der Abschluss neuer Vereinbarungen sollen weiterhin einen zentralen Bestandteil der Schweizer Aussenpolitik darstellen. Freihandelsverträge mit den USA, den Mercosur-Staaten sowie mit Indien sind aktuell ausstehend. Ein grosses Potenzial besteht zudem in Afrika und Asien. Der Abschluss solcher Vereinbarungen erfordert einen fairen Interessenausgleich zwischen den Handelspartnern. Die Freihandelsabkommen tragen zudem dazu bei, die Wirtschaftskraft unserer Partnerländer zu stärken.

Gleichwohl bleibt die Gewährleistung rechtsverbindlicher und stabiler Wirtschaftsbeziehungen zur EU von herausragendem Interesse, insbesondere für die Ostschweiz als Exportregion. Die europäischen Nachbarstaaten, allen voran Deutschland, werden in absehbarer Zukunft die wichtigsten Handelspartner der Schweiz bleiben. Die Schweiz tut folglich gut daran, die Teilnahme am Binnenmarkt für ihre wichtigsten Exportbranchen zu erhalten.

Die Einbettung der Schweiz in der internationalen Gemeinschaft über Freihandelsverträge allein wird daher nicht ausreichend sein. Zusehends wird von der Schweiz Solidarität eingefordert. Zusätzlich soll die Schweiz in vier Bereichen nach leistungsfähigen Partnern suchen: Energieversorgungssicherheit, äussere Sicherheit und Verteidigung, internationale Migration und Klimawandel. Diese Aufgaben erfordern eine kontinentale Zusammenarbeit, bei der die EU als potenzielle Partnerin eine zentrale Rolle einnimmt.

Eine erfolgreiche Wirtschaft bedarf der Freiheit

Doch für eine erfolgreiche Schweiz braucht es nicht nur konkrete Reformen, sondern auch die entsprechende Grundhaltung, um die Weichen für die Zukunft erfolgreich zu stellen: Die Freiheit des Einzelnen und damit die Wirtschaftsfreiheit muss in der Gestaltung, in der Revision von Gesetzen und vor allem auch in der Verhinderung von unnötigen Gesetzen Maxime sein. Diese Freiheiten bilden die notwendigen Handlungsräume, in welchen sich Wille und Ehrgeiz der Menschen und Unternehmen entfalten können die Treiber unseres Erfolgs.

«In gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen» auferlegt sich die Schweiz in der Präambel der Bundesverfassung für das Zusammenleben. Auch dieser Anspruch soll die Parlamentsmitglieder bei der Debatte leiten. Nur so lassen sich zukunftsfähige Lösungen finden.

1 Vademecum Ostschweiz in Zahlen, Seite 12 ff.